Das wundersame Giftverschwinden

■ Forschungsprojekt der Bremer Uni legt Zwischenbericht der Entsorgung von verseuchtem Hafenschlick aus Bremen vor

Der verseuchte Bremerhavener Hafenschlamm ist weniger geworden. Der Grad seiner Verseuchung ist aber zugleich gestiegen. Und: Die Schlämme verstopfen in Zukunft die bremischen Häfen, wenn ihr Aufkommen nicht noch weiter verringert werden kann. Das ist das Fazit einer Zwischenbilanz, das eine Forschungsgruppe der Uni Bremen im Auftrag des Senators für Häfen und der Senatorin für Umwelt gestern vorgestellt hat.

Als eine Idee, die Hafenschlämme zu verringern, schlug die Projektgruppe jetzt vor, den Dreck kommerziell als Rohstoff für die Ziegeleiherstellung zu nutzen. „Marktchancen hätten diese Ziegel schon“, meint Lothar Schneider, Geschäftsführer der Hanseatischen Ziegelei GmbH in Hamburg. Sein Betrieb brennt zurzeit Ziegel für Bremen auf Probe. Eine Bedingung für die erfolgreiche Markteinführung stellt Schneider aber: „Man darf nicht darüber reden, aus welchem Rohstoff die Ziegel sind und wie sie hergestellt werden.“ Denn der Rohstoff ist verseuchter Hafenschlick und die Arbeitsweise der Ziegelei kann – wenig umsatzfördernd – mit der einer Giftmüllverbrennungsanlage verglichen werden, so Kritiker des Projektes.

„Diese Produktionsweise garantiert aber nach unseren Untersuchungen die öklogische Unbedenklichkeit des neuen Baustoffes“, verteidigt Kay Hamer, Uni-Projektleiter des Recyclingvorhabens, seine Ziegel. Die Investitionen für eine wirtschaftliche Ziegeleiproduktion wären allerdings auch immens. Man spricht von 80 Millionen Mark. „Das Produkt wäre nur konkurrenzfähig, wenn der Rohstoff Schlick billiger wäre als Natur-Ton und wenn Bremen beispielsweise zusätzliche Entsorgungsgebühren an den Hersteller zahlen würde“, stellt Produzent Schneider klar. Seine Hamburger Schlick-Ziegelei arbeitet seit vier Jahren als Demonstrationsanlage – auf Verlustbasis. Hamburger Ziegel-Agenten reisen um die Welt, um sich Hafendreck als Rohstoff zu sichern. „Da wo der politische Druck gegen verseuchtes Baggergut am größten ist, da können wir leichter an den Rohstoff kommen“, so Schneider.

„Wir hatten ja keine Ahnung“,beschreibt Hans-Werner Vollstedt, Leiter der Abteilung Hafenbau im Hanseatisch Bremischen Hafenamt in Bremerhaven, die Situation seiner Behörde 1997. In diesem Jahr verbot das Land Niedersachsen die Verklappung von Bremerhavener Hafenschlick in der Nordsee. Der Schlamm war mit Tributylzinn vergiftet, einem Biozid, das über Schiffsfarben ins Wasser gelangt. Es soll Algen- und Pockenbewuchs an Schiffsrümpfen verhindern. Der Bewuchs führt zu erhöhtem Kraftstoffverbrauch bei Schiffen – langfristig aber zur ökologischen Katastrophe (die taz berichtete).

Das Unwissen der Hafenbehörde bringt Bremen in Zeitnot. Hektisch begann man an Schleusen und Hafenanlagen den Eintrag von sedimenthaltigem Wasser in die Häfen zu verringern. Werften, die als Haupteinleiter von TBT ausgemacht wurden, bekamen zwar Auflagen für ihre Abwasserreinigung, diese Auflagen sind aber bislang aus Geldmangel noch nicht umgesetzt. Dann wurde auf der Luneplate eine Versuchsdeponie für TBT-Schlamm eingerichtet. Durch Licht und Sonne soll TBT zerfallen. Die Luneplate ist gefüllt. Erkenntnisse, ob das TBT tatsächlich verschwindet, gibt es aber noch nicht.

Die Bremer Deponie in Seehausen war eigentlich nur für stadtbremischen Hafenschlamm vorgesehen. Jetzt muss auch Bremerhavener Schlamm dorthin gebracht werden. Damit wird Seehausen früher abgefüllt sein als vorgesehen. Die Ziegel-Idee der Uni Bremen kommt also gerade richtig. Auch, wenn der Aufbau einer wirtschaftlichen Ziegelproduktion noch Jahre dauern würde, wie Kay Hamer von der Uni meint. Zudem bleibt unklar, welche Schadstoffe durch die Ziegelbrennerei aus dem Hafenschlick gelöst werden.

Darauf weist Jürgen Ritterhof von der Aktionskonferenz Nordsee hin. Da nur hochbelasteter TBT-Schlamm zur Ziegelproduktion verwendet werden soll, träumt Hans-Werner Vollstedt vom Bremerhavener Hafenamt schon wieder vom Verklappen des weniger belasteten Drecks. „Da stecken dann schon die neuen Pestizide drin, mit denen jetzt die Schiffe angestrichen werden“, so Ritterhoff.

Thomas Schumacher