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: Sätze

„Talkshowfieber“

(Mo., 21.45 Uhr, ARD)

„Hauptsache schrill und bunt“, sagte der rauchige Off-Sprecher am Anfang. Bald darauf hieß es: „Nichts wird dem Zufall überlassen.“ Und schließlich wurde gar „die Ware Mensch“ bemüht.

Es gibt im Fernsehen diese leicht verkrampfte Herablassung, mit der die Öffentlich-Rechtlichen so gern den privaten Mitbewerbern begegnen ... Und zweifellos hat sich die talkshowfebrile ARD-Doku über ein irrelevant gewordenes Genre echt Mühe gegeben, hat Vera Int-Veen bei der Arbeit, eine Handvoll Talkshowbegeisterte zu Hause vor ihren Fernsehern besucht und Sat.1-Unterhaltungschef Henning von der Osten in seinem Büro, sie hat sogar mal kurz bei einer Talkgast-Castingfirma vorbeigeschaut, professionelle Talkshow-Hopper aufgespürt – und gerechnet: Ein 30-Sekunden-Spot koste die werbetreibende Industrie in einer Talkshow 10.000 Mark. 30 Sekunden Talkshow hingegen kosten den Sender gerade mal ein Zehntel, was nicht nur ungefähr 250.000 Mark Umsatz pro Sendung bedeutet, sondern auch jährlich etwa 150 Millionen Mark Gewinn oder so ähnlich. Das ist wirklich sehr interessant! Nur wurde die ganze Zeit über so getan, als sei das etwas Verwerfliches. Das ist es nicht!

Ebenso wenig wie die stolz präsentierten Sprüche des Sat.1-Unterhaltungschefs: Die Talkshow, sagte der süffisant, sei „im Grunde genommen eine End-68er-Veranstaltung, wo plötzlich alle was zu sagen haben“ oder: „Man kommt schnell rein, man kommt schnell raus und man verpasst nicht wirklich was.“

Der beste Satz aber kam von Vera selbst: „Talkshows formen ein Bild der Gesellschaft“, sagte sie verblüffend hellsichtig – hatte sich aber offensichtlich nur versprochen: „Hey Leute“, schob sie hinterher, „wir halten euch tagtäglich einen Spiegel vor und zeigen, was ihr schon lange nicht mehr seht!“ Und da, liebe Vera, musste man dir sogar zustimmen: Was ihr zeigt, sehen wir schon lange nicht mehr. csch