Operation Eunova

Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU): Keine Stasi-Akten über SPD beschafft

MÜNCHEN taz ■ Für einen fünfstelligen Geldbetrag hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) 1990 Stasi-Dossiers über bundesdeutsche Politiker gekauft, die Akten aber wenige Tage später vernichtet. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) dementierte gestern vor der Presse und dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Landtages einen Artikel des Magazins Focus. Danach waren die Verfassungsschützer vor allem an SPD-Politikern interessiert und hätten das Material möglicherweise nicht ganz vernichtet.

Die bayerische SPD drohte daraufhin mit einem Untersuchungsausschuss. Der Verdacht der Genossen: Akten über Strauß wurden sogleich vernichtet, Material über Sozialdemokraten dagegen eifrig gesammelt.

Becksteins Version klingt jedoch ein wenig anders: Ein hochrangiger MfS-Mitarbeiter habe dem LfV Material über die Auslandsaufklärung der DDR angeboten. 100 Dossiers über Personen des öffentlichen Lebens seien jedoch im April 1990 ohne Auswertung vernichtet worden. Weitere 400 Akten, die Mitarbeiter der BRD-Nachrichtendienste betrafen, gingen zum Teil an die betroffene Behörden. Lediglich 20.000 Zielkontrollkarten mit persönlichen Daten von überwachten Personen habe der bayrische Verfassungsschutz behalten. Er schrieb die Karten ab, um seine Quelle zu schützen, und leitete sie an die Behörden weiter, so Beckstein. Doch auch diese Dokumente seien im Juni 1990 vollständig vernichtet worden.

Erst vor einem Monat hatte das bayrische Innenministerium eingeräumt, dass dem LfV 1990 „unter anderem personenbezogene Dossiers über Bewohner der Bundesrepublik Deutschland zugegangen (seien), die aus Abhörmaßnahmen des ehemaligen DDR-Ministeriums für Staatssicherheit stammten“. Mitte April hatte Focus berichtet, dass das LfV selbst die Stasi-Akten von Berlin nach München geflogen habe. Das Motto der Operation „Eunova“: „Gebt uns alles über die Sozis!“ Die Lieferanten, so Focus, hätten als Gegenleistung Bargeld, neue Jobs und neue Identitäten erhalten. Auf den Zielkontrollkarten stand laut Focus, wann und wie lange Politiker wie Gerhard Schröder und Wolfgang Clement abgehört wurden. Die Informationen seien noch vor der Vernichtung der Karten abgetippt worden.

Beckstein musste gestern die Abschriften bestätigen. Doch warum er nicht eher gegen den Focus-Bericht vorging, konnte er gestern nicht beantworten. Ebenso wenig, nach welchen Vorgaben die Politiker-Dossiers geliefert wurden und welche Beamten Kenntnis von den Dossiers haben. Was das Stasi-Material gekostet hat, wollte Beckstein auch nicht verraten – „dann verderben wir uns doch die Preise“.

KONRAD LISCHKA