Dabei sein ist jetzt alles

Wer eine der begehrten neuen Handy-Lizenzen ersteigern kann, hat eine sichere Ausgangsposition auf dem Mobilfunkmarkt der Zukunft

von JENS UEHLECKE

Zwölf Bieter wollen sich an der geplanten Milliardenauktion neuer Mobilfunkfrequenzen in Deutschland beteiligen. Das teilte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post gestern in Bonn mit. Demnach waren bis zum Ende der Bewerbungsfrist am letzten Freitag entsprechend viele Anträge für je eine so genannte UMTS-Lizenz (Universal Mobile Telecommunications Services) eingegangen. Vier bis sechs Lizenzen will die Behörde im Sommer meistbietend versteigern. Bis zu 110 Milliarden Mark könnte Bundesfinanzminister Hans Eichel nach Einschätzungen von Banken und Beobachtern damit erzielen.

Die Bewerberliste liest sich wie das „Who’s Who“ der europäischen Telekommunikations-Branche (siehe Kasten). „Welche von diesen Unternehmen zur Versteigerung zugelassen werden, wird allerdings erst nach der offiziellen Zulassungsprüfung bekannt gegeben“, sagte der Chef der Regulierungsbehörde, Klaus-Dieter Scheuerle, gestern.

Der Run auf die UMTS-Frequenzen ist begründet: Mit dem neuen Standard wird der Flaschenhals bei der Datenübertragung via Mobiltelefon gesprengt. Statt wie bisher mit maximal 9.600 Zeichen pro Sekunde können Bits und Bytes zukünftig mit einer Höchstgeschwindigkeit von zwei Millionen Zeichen pro Sekunde verschickt werden. Das entspricht einer 200-fachen Steigerung. Für die Mobiltelefone der Zukunft hat das weitreichende Folgen: Sie werden sich in taschengroße Multimedia-Terminals verwandeln, mit denen man auch Bildtelefonieren, Videos anschauen und im Internet surfen kann.

Angesichts dieser Möglichkeiten erwartet die Branche einen Ansturm von Neukunden. In drei Jahren soll schon jeder zweite Deutsche ein Handy besitzen, heute ist es erst jeder vierte. Aber auch für den so genannten Mobile Commerce, den elektronischen Handel via Mobilfunk, ist die UMTS-Einführung ein wichtiger Schritt. Verdirbt das Schneckentempo der heutigen Netze mobilen Internet-Shoppern oft noch die Lust, werden die neuen, schnelleren Netze Mobile Commerce zu einem Massenprodukt machen. Für 2003 prognostizieren Marktforscher daher einen Umsatz von 45 Milliarden Mark. Heute sind es 900 Millionen Mark.

Wer eine der begehrten Lizenzen ersteigern kann, hat eine sichere Ausgangsposition auf dem Mobilfunkmarkt der Zukunft. Dabei sein ist alles – denn eines ist gewiss: Sobald die UMTS-Handys und -Netze verfügbar sind, ist das Todesurteil für den derzeitigen Netzstandard GSM und damit für Anbieter ohne UMTS-Lizenz besiegelt. Innerhalb von zwei Jahren wird das Gros der Mobiltelefonierer seine Geräte tauschen und in die neuen Netze wechseln. Um nicht den Anschluss zu verlieren, sind die Telefonkonzerne bereit, tief in die Tasche zu greifen. Mobilcom-Chef Gerhard Schmid hatte schon vor Wochen angekündigt, dass sein Unternehmen gemeinsam mit dem Partner France Télécom bis zu 24 Milliarden Mark für eine Lizenz locker machen will. „Wenn es nötig ist, mit Hilfe der Börse noch mehr.“ Einen Vorgeschmack auf das, was Unternehmen zahlen wollen, lieferte die UMTS-Auktion in Großbritannien. Dort spülte die Versteigerung umgerechnet 74 Milliarden Mark in die Staatskasse.

Angesichts der hohen zu erwartenden Erlöse aus der UMTS-Versteigerung diskutieren Regierung und Opposition hier zu Lande derzeit über die Verwendung der Extramilliarden. Während Finanzminister Eichel die Einnahmen zur Tilgung von Staatsschulden einsetzen will, verlangt die Opposition deutliche Steuersenkungen. Wie der Stern gestern berichtete, soll Eichel nun aber planen, etwa ein Drittel der Erlöse für öffentliche Projekte in den Bereichen Forschung, Wissenschaft und Verkehr zu verwenden.

Auch die Vergabepraxis durch Auktionen blieb nicht ohne Kritik durch die deutschen Mobilfunk-Gesellschaften. Viag-Interkom-Chef Hans-Burghardt Ziermann bezeichnete die erwarteten Lizenzgebühren als „technologiefeindlich“. Telekom-Chef Ron Sommer bemängelte die unterschiedlichen Verfahren innerhalb der europäischen Union. In einigen Ländern, etwa in Spanien, werden die Lizenzen quasi zum Nulltarif vergeben.

Der rosa Riese ist von den Auktionen besonders betroffen. Denn mit seinen Töchtern in Deutschland, Großbritannien und Österreich ist er nur in Ländern präsent, die ihre Frequenzen versteigern. Die europäischen Hauptkonkurrenten Vodafone Airtouch und France Télécom haben dagegen auch Ableger in Ländern, in denen die Lizenzen zugeteilt werden.