Rückzug oder Tod

Die philippinischen Entführer der 21 Touristen und Hotelangestellten wollen zwei Geiseln enthaupten, wenn sich das Militär nicht zurückzieht

BERLIN taz ■ Ein sich als Sprecher der südphilippinischen Rebellengruppe Abu Sayyaf ausgebender Mann namens Abu Escocabar hat gestern das Militär des Inselstaates zum Rückzug vom Versteck der Entführer und ihrer Geiseln aufgefordert. Er sagte gegenüber dem lokalen Radiosender DXRZ, die Soldaten befänden sich auf der Insel Jolo in Sichtweite der Entführer und sollten umgehend zurückgezogen werden. Ansonsten würden zwei der Geiseln enthauptet. Eine ähnliche Drohung war bereits am Freitag ausgesprochen worden, wurde später aber dementiert.

Nach der gestrigen Schießerei zwischen den Entführern und dem Militär, bei der ein Soldat starb und zahlreiche Personen verletzt wurden, forderte die Bundesregierung ihre Amtskollegen in Manila auf, der Sicherheit der Geiseln Priorität einzuräumen. Schon zuvor hatte die Bundesregierung auf ein friedliches Ende des Geiseldramas gedrängt.

Die 21 Touristen und Hotelangestellten waren am Ostersonntag von der ostmalaysischen Ferieninsel Sipadan entführt und auf die Südphilippinen verschleppt worden. Seitdem gibt es keine klaren Forderungen der Entführer. Mal ist von widersprüchlichen Lösegeldforderungen die Rede, mal von Forderungen nach mehr Autonomie für die muslimische Bevölkerung. Der von der Regierung in Manila ernannte Unterhändler und muslime Ex-rebellenführer Nur Misuari hat jedoch bisher nur die Forderungen nach seiner Ablösung und der Vermittlung der Organisation Islamischer Staaten genannt. Beides wies die Regierung in Manila umgehend zurück.

Die Situation der Geiseln hat sich in den letzten Tagen dramatisch verschlechtert. Sie leiden an Durchfall und der schlechten Ernährungslage, die für die Region nicht ungewöhnlich ist. Vorgestern konnten sie erstmals von einer Ärztin besucht und notdürftig versorgt werden. Zuvor hatte eine Journalistin die ersten Aufnahmen der Geiseln machen können.

Während die Entführung vor allem der westlichen Touristen weltweit für Aufmerksamkeit sorgt, spielen sich in der Nähe ähnliche und für die Region fast alltägliche Dramen ab. So halten auf der Nachbarinsel Basilan Abu-Sayyaf-Rebellen 27 Schulkinder und ihre Betreuer seit Wochen als Geiseln. Versuche des Militärs, den Unterschlupf der Rebellen zu erobern, sind in den vergangenen Tagen gescheitert. Dabei sollen mehr als 80 Soldaten und Rebellen ums Leben gekommen sei. Die Entführer konnten mit ihren Geiseln fliehen.

Weitere schwere Kämpfe gab es in den vergangenen Tagen auf der Südinsel Mindanao zwischen muslimischen Separatisten der MILF-Guerilla und dem Militär. Auch dabei sollen rund 80 Menschen getötet worden sein.

SVEN HANSEN