In Holland ist die Hölle los

■ Neu im Kino: „Kleine Teun“ ist eine Dreiecks-Tragikomödie, die zum Glück nicht im Geruchskino gezeigt wird

Alex van Warmerdam macht merkwürdige Filme. Wenn sich die niederländischen Spießbürger tatsächlich auch nur ansatzweise so gebärden wie in seinen schwarzen Tragikomödien, dann ist Holland in Not. In seinem Film „Noorderlingen“ waren die Hölle die Nachbarn, und das war besonders schlimm, weil sie keine Vorhänge an ihren Fens-tern hatten.

In seinem neuen Film „Kleine Teun“ hat der dümmste Bauer die wildesten Frauen. Brand (van Warmerdam himself) ist Analphabet, und weil seine dominante Frau Keet es satt hat, ihm immer die Untertitel bei den englischen Spielfilmen im Fernsehen vorzulesen, engagiert sie die Lehrerin Lena . Doch die bemüht sich nicht nur, ihm Lesen und Schreiben beizubringen, sondern entblößt auch ihre Brüste für ihn, und schon sind wir in der schönsten Dreiecksgeschichte, die in so groteske Extreme ausartet, dass zwischen Psychoterror, den Tür-auf-Tür-zu-Orgien der Boulevardkomödie und vergiftetem Haferbrei alles möglich ist.

Van Warmerdam zeigt diese Menage à trois auf dem flachen Lande als eine ganz eigene Mischung aus Sozialsatire, makaberer Komödie und absurdem Theater. Einerseits ist alles extrem stilisiert: Das Haus auf dem Lande, in dem fast alle Szenen des Films spielen, wirkt wie ein genau abgezirkelter Mikrokosmos, und die Dialoge sind zugleich so überdreht und lakonisch reduziert, dass man sich eher in einer Phantasmagorie als in der Beziehungsgeschichte von einem Bauern und seinen Frauen glaubt.

Aber dann zeigt uns der Regisseur Alex van Warmerdam wieder Details aus dem alltäglichen Leben in diesem Haushalt. Die scheinen so genau beobachtet zu sein, dass man denkt, unsere niederländischen Nachbarn führten tatsächlich ein total absurdes Leben.

Am ehesten kann man das Kino dieses originellen filmischen Eigenbrötlers (zuständig für Drehbuch, Regie, Hauptrolle, Filmmusik und die aus eigenen Ölgemälden fabrizierte Titelsequenz) noch mit dem von Bunuel und Hitchcock vergleichen. Von dem einen hat er die radikale und surreale Sicht geerbt, von dem zweiten den makaberen Witz und die Freude am Tabubruch. Hitchcock war der Erste, der es in den puritanischen USA wagte, das Geräusch einer Klospülung in einem seiner Filme erklingen zu lassen (großer Skandal!). Und es wirkt wie eine Hommage an den genialen Dicken, wenn bei Alex van Warmerdam die Toilette des Hauses eine ganz wichtige Rolle spielt.

Da ist der Film sehr drastisch: Man ist froh, dass es kein Geruchskino gibt, und weil „Kleine Teun“ in der Originalfassung mit Untertiteln läuft, bekommt man ganz nebenbei noch einige Lektionen in der niederländischen Fäkalsprache mitgeliefert. Wilfried Hippen

Von heute bis Dienstag um 20.30 Uhr im Kino 46