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: Wird die Berlinale zum Sponsorenevent?

NAU AND NEVER

Die Berlinale ist ein Albtraum, eine Vorhölle, eine gänzlich unbequeme und sogar gesundheitsschädliche Veranstaltung. Glaubt man dem, was sich die Feuilletons in den letzten Tagen zurechtlamentierten, dann hat sie nicht nur die Erkältungskrankheiten verzärtelter Kritikerkollegen zu verantworten, brutal störte sie auch die Sozialisation unschuldiger Jünglinge, die in den Achtzigerjahren nichts Böses ahnend zu den Filmfestspielen kamen. Das schlechte Wetter im Februar, der Niedergang Westberlins, ja der westlichen Kultursphäre – alles Berlinale. Und mittendrin: Moritz de Hadeln. Wie ein übel gelaunter Buddha sitzt er auf einem jahrzehntelang aufgehäuften Berg von schlechten Filmen.

Ganz klar: Wenn sich eine Gestalt wie de Hadeln überholt hat, ist Nostalgie beim Abschuss bestimmt nicht angebracht. Unter seiner Ägide wurde das internationale Autorenkino in Berlin eher mitgeschleift als gefördert. Gut, de Hadeln hat die fünfte Generation chinesischer Filmemacher entdeckt, der Berlinale ihr schwullesbisches Profil verschafft und eine Hand voll großartiger amerikanischer Filme gezeigt – andererseits hätte das völlige Ausbleiben von Treffern gegen jede statistische Wahrscheinlichkeit gesprochen. Nur hegelianisch gesehen musste man den Mann irgendwann qua seiner puren Präsenz ernst nehmen, weil er halt schon immer da war, jedenfalls 21 Jahre lang.

Und dann diese typisch berlinerische Provinz-Intrige: Dieter Kosslick, Chef der NRW-Filmstiftung drängt in die Hauptstadt. Weil ein anderer Job nicht klappt, putscht Naumann (mit Hilfe seines Abteilungsleiters Nevermann) de Hadeln mit einer Kündigungsklausel aus dem Vertrag und bringt den SPD-nahen Kosslick ins Gespräch (der übrigens im vergangenen Jahr in Cannes noch hübsche Naumann-Witze lancierte). Neben, Gott bewahre, Volker Schlöndorff tauchen plötzlich Michael Kötz und Josef Wutz, Leiter der Filmfestivals von Mannheim und Hamburg auf, letztere allerdings nur, damit mit der Anschein mehrerer Kandidaten entsteht.

Da werden die insgesamt reformbedürftigen Filmfestpiele plötzlich nur noch ex negativo definiert: Ohne de Hadeln, der Rest ergibt sich anscheinend von selbst. Mit seiner stillosen Kündigung (für den Umzug zum Potsdamer Platz war de Hadeln noch gut genug), hat Naumann nicht zuletzt dem Ruf des Festivals selbst geschadet. Und indem er die Berliner Festspiele demnächst komplett in Bundesregie übernehmen will, bringt er Strukturfragen in bedenkliche Nähe zu Parteipolitik. Ausgerechnet Dieter Kosslick, der seit Ewigkeiten im Filmförderungsfilz agiert und als eindeutiger Nicht-Cineast gilt, soll nun „frischen Wind“ (O-Ton Naumann) in die Berlinale bringen. Womit auch, ganz zeitgeistig, eine neue Verschiebung der Leitkompetenz von Festivaldirektoren etabliert wäre: Management anstelle von Festivalerfahrung, Eventkultur statt einer inhaltlich-ästhetischen Haltung.

Natürlich dürfte man sich von einem leutselig mit der Wirtschaft kungelnden Kosslick neue Finanzspritzen erwarten. Andererseits zeigt allein schon das von Naumann ins Leben gerufene kleingeistig-großkotzige „Nomination-Event“ zum deutschen Filmpreis, welche Peinlichkeiten die Sponsorenmacht so mit sich bringen kann. Und die Beiläufigkeit, mit der die Frage eines beigeordneten künstlerischen Leiters diskutiert wird, zeugt nicht gerade von geschärftem Bewusstsein für dieses Problem. Dabei gäbe es durchaus Kandidaten für den Job. Karl Baumgartner etwa, einer der wenigen wirklich international denkenden deutschen Filmproduzenten. Oder auch der ehemalige Viennale-Leiter Alexander Horwath. Nur passen solche cineastischen Kaliber eben nicht in die Idee der großen, glamourösen, von Pro 7 oder wem auch immer gepäppelten Berlinale. Für die sind Kosslick und Schlöndorff, Kötz und Hinz oder Wutz und Kunz genau die Richtigen. KATJA NICODEMUS