DIE BÖRSEN VON FRANKFURT UND LONDON FUSIONIEREN: Sieg der modernisierten Teutonen
Mit einer lange ausgehandelten Fusion machen die Börsen von Frankfurt und London Schlagzeilen. Zusammen sind sie nun die Nummer vier weltweit, und wenn demnächst, wie beabsichtigt, noch Mailand und Madrid dazustoßen, liegen nur noch die beiden Wall-Street-Börsen Nasdaq und New York Stock Exchange im Umsatz vor ihnen. Der Name „iX“ für die neue Börse klingt zwar sehr nach einem Spoiler-Auto aus den Achtzigerjahren – aber es kann ja nicht alles klappen bei so einer Fusion.
Die deutschen Banker als Börseneigner jedenfalls können sich zufrieden zurücklehnen. Der Gedanke, dass die noch vor zehn Jahren als altbacken und provinziell verschriene Frankfurter Wertpapierbörse einmal eine Fusion unter Gleichen mit der in Europa damals übermächtigen Londoner Stock Exchange eingehen würde, hätte an der Themse früher nur für schallendes Gelächter gesorgt. Dabei kam es aus Sicht der Briten eigentlich noch viel schlimmer: Die Frankfurter bringen heute gar nicht ihr ganzes Geschäft in das kommende Gemeinschaftsunternehmen ein, weil sie sonst zu wertvoll für eine Fifty-fifty-Firma wären.
Die Frankfurter haben schneller und besser auf den Computerhandel umgerüstet. Das hat sich für sie ausgezahlt. Die Londoner wurden nun von ihren Großkunden – Banken und Fonds – zur Fusion gedrängt. Die wollen ihre europäischen Vermögenswerte billig und schnell an einer Stelle handeln – und nicht in jedem EU-Land mit einem anderen Börsenbetreiber und einer anderen teuren Technik herumwursteln. Gleichzeitig werden nun die anglo-amerikanischen freizügigeren Handelsregeln auch für einen großen Teil der deutschen Aktien gelten. Spannend bleibt für den Aktien handelnden Verbraucher, ob die Banken die Ersparnis auch an ihre Kunden weitergeben.
Auf lange Sicht wird ihnen nichts anderes übrig bleiben, auch wenn sie ihre dort satten Profite nur ungern schmälern. Denn aus den USA kommt schon längst die nächste Welle der Modernisierung: unabhängige Online-Broker, bei denen Profis und Amateure direkt – billiger und schneller – per Computer Anleihen, Aktien und alles andere handeln können, ohne Bank und Broker dazwischen.
Die Börsen in Europa werden jedoch trotz aller weltweiten Computerisierung nicht überflüssig, egal an welchem Ort sie sitzen. Irgendjemand muss die aktuellen Kurse ermitteln und für die Transparenz des Handels sorgen. Bei den althergebrachten Börsen hat das bisher immer geklappt. Aber modernisieren müssen sie sich wie alle anderen Zweige des Sektors Kapital und Arbeit auch.
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