Willkommen im Euro, Drachme

Die Europäische Kommission bescheinigt Griechenland „Eurotauglichkeit“. Die Zentralbank schließt sich an, bleibt aber skeptisch: Das Haushaltsdefizit sei hoch, bei der Inflation bestünden „Aufwärtsrisiken“. Weitere Reformen seien nötig

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Mit seinem Zeugnis kann Griechenland zufrieden sein. Im Fach „Eurotauglichkeit“ gab es gestern von EU-Finanzkommissar Pedro Solbes eine glatte Zwei. Der Bericht der Europäischen Zentralbank (EZB) fiel zurückhaltender aus, kam aber doch insgesamt zum Ergebnis „ausreichend“. Nun gilt als sicher, dass die Regierungschefs beim Gipfel im portugiesischen Porto am 19. Juni beschließen, Griechenland in die Eurozone aufzunehmen.

Geradezu euphorisch wertete die Mehrheit der Europaabgeordneten Griechenlands Anstrengungen, die Stabilitätskriterien von Maastricht zu erfüllen: „Herzlich willkommen, Griechenland“, jubelte die Vorsitzende des Wirtschafts- und Währungsausschusses, die deutsche SPD-Abgeordnete Christa Randzio-Plath.

Aber nicht alle Abgeordneten reagierten so positiv wie die Ausschussvorsitzende auf den Bericht von Finanzkommissar Solbes und die Stellungnahme von EZB-Vize Christian Noyer zur Situation in Griechenland. Der deutsche CDU-Abgeordnete Karl von Wogau warnte davor, einen Präzedenzfall zu schaffen und bei den Kandidatenländern Erwartungen zu wecken. „Der Euro befindet sich im freien Fall. Diese Entscheidung wird Einfluss auf Defizite und Zinsen haben“, prophezeite er.

Unerwartete Unterstützung bekam Wogau vom stellvertretenden Ausschussvorsitzenden, dem kommunistischen griechischen Abgeordneten Ioannis Theonas. Auch er warnte davor, Griechenland übereilt in die Eurozone aufzunehmen – allerdings aus ganz anderen Gründen. Um die in Maastricht aufgestellten Bedingungen hinsichtlich Inflationsrate, Gesamtverschuldung, Neuverschuldung, Zins- und Lohnentwicklung zu erfüllen, seien den Arbeitnehmern große Opfer abverlangt worden. Wenn der Bericht der Europäischen Zentralbank nun weitere Anstrenungen fordere, müsse den Menschen deutlich gesagt werden, was auf sie zukomme.

Tatsächlich weist die EZB in ihrem Bericht bereits auf die zunehmende Zahl alter Menschen hin und fordert „vermehrte Anstrengungen zur Reform des Sozialversicherungssystems“. Auch die Belastung des öffentlichen Sektors müsse durch „Fortschritte bei der Privatisierung“ verringert werden. Die Formulierung „weitere Fortschritte bei der Liberalisierung einer Reihe von Versorgungsunternehmen und entschlossene Anstrengungen zur Beseitigung struktureller Arbeitsmarktverkrustungen“ verrät, dass die harten Zeiten für Griechenlands Arbeitnehmer noch lange nicht zu Ende sind.

Die EZB zeigt sich nicht ganz überzeugt, dass Griechenland die Maastrichter Stabilitätskriterien tatsächlich schon erfüllt: Bei der Preisentwicklung sieht sie „Aufwärtsrisiken“. Zwar habe die Inflationsrate im Bemessungszeitrum zwischen April 1999 und März 2000 durchschnittlich bei 2 Prozent und somit unter dem beim Gipfeltreffen von Maastricht vereinbarten Grenzwert von 2,4 Prozent gelegen. Bedenke man, dass die Teuerungsrate 1990 noch bei knapp 25 Prozent gelegen habe, so müsse Griechenland eine sehr positive Entwicklung bescheinigt werden. Allerdings seien die aktuellen Tiefstwerte der Tatsache zu verdanken, dass die Regierung die indirekten Steuern gesenkt habe.

Ob es gelinge, Lohnentwicklung und Preise in Griechenland langfristig zu bremsen, hänge entscheidend davon ab, ob die zuständigen Behörden eine stimmige Finanzpolitik und strukturelle Verbesserungen bei Güter- und Arbeitsmärkten entwickeln könnten. Bislang liegt die Staatsverschuldung bei 104,4 Prozent – weit über dem Maastricht-Limit von 60 Prozent. Allerdings stehen Belgien mit 114,4 Prozent und Italien mit 114,9 Prozent noch schlechter da.