Auch wer nichts tun kann, tut am Ende doch was

Deutschland und die Entführung: Im Angesicht der Krise flackert die Hoffnung auf, Politik sei Tat, nicht Trägheit. Doch zur Untätigkeit verdammt, setzen Politiker auf Gesten

BERLIN taz ■ Das Bemühen ist da, doch es bleibt bei Gesten: In Göttingen trifft sich der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel mit den Angehörigen der entführten deutschen Familie. In Berlin informiert der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Christoph Zöpel, das Bundeskabinett auf seiner wöchentlichen Sitzung über die aktuelle Lage. In Momenten der Krise, wie jetzt bei der jüngsten Geiselnahme von Touristen in Südostasien, wiederholen sich die Vorgänge wie die Formulierungen: Angehörige werden besucht, Krisenstäbe eingerichtet, dem Kanzler wird der Lagebericht vorgetragen, der Außenminister wird „stündlich informiert“.

Die Aktivitäten verbergen nur mühsam die Hilflosigkeit der Politiker angesichts eines Dramas, das sie letztlich zur Untätigkeit verdammt. Die Philippinen sind weit, und selbst der Asien-Beauftragte der Bundesregierung, Cornelius Sommer, macht keinen Hehl daraus, dass er in Manila kaum besser informiert ist als seine Kollegen in Berlin: Der Dschungel auf Mindanao sei von hier wie dort ziemlich undurchdringlich. Gleichzeitig wächst mit jedem weiteren Tag die Anteilnahme der Öffentlichkeit am Schicksal der Geiseln.

Es wächst damit auch der öffentliche Druck auf die Entscheidungsträger, zu tun, wofür sie gewählt wurden: zu entscheiden. Doch konnten Minister beim Geiseldrama von Gladbeck noch Spezialkommandos der Polizei losschicken, bleibt den Fischers und Schröders diesmal nur der Anruf in Manila. Politisch präsentiert sich die Entführung darum als Paradox: Nie artikuliert sich der Wunsch der Öffentlichkeit, die Politik möge handeln, so stark wie nun, da konkrete Menschen von konkreter Gefahr bedroht sind – und nie ist die Ohnmacht der Politik offensichtlicher.

Im Alltag haben sich Regierende wie Regierte vom Glauben an schnelle Lösungen längst verabschiedet. Die Politik verweist auf Sachzwänge, das Volk erträgt es mal duldsam, mal murrend. Im Augenblick der Krise flackert dagegen die Hoffnung auf, Politik sei Tat, nicht Trägheit. Wer Politiker ist und es bleiben will, tut gut daran, die Hoffnung nicht zu enttäuschen. So wird in der Krise das Persönliche politisch: Zweimal schon habe der Außenminister – „persönlich“ – mit seinem philippinischen Gegenpart gesprochen, betont Fischers Pressestelle, und aus den Beteuerungen klingt die Angst heraus, ihm könne mangelnder Einsatz unterstellt werden. („Wo ist der Minister dieser Tage überhaupt?“, wird auf der Bundespressekonferenz gefragt. Eine Antwort bleibt aus, und prompt wird getuschelt, ihm seien Wahlkampftermine in Nordrhein-Westfalen wohl wichtiger.) Dass Bundeskanzler Schröder gestern dann – „persönlich“ – mit Staatspräsdident Estrada telefonierte, wurde in Berlin als Ausdruck höchster Aktivität gewertet. Nun sind solche Telefonate diplomatisch vielleicht hilfreich. Die Bundesregierung befürchtet dennoch, die philippinische Seite könnte auf eine gewaltsame Lösung setzen.

So mahnen die Anrufer in Manila ein ums andere Mal eine friedliche Lösung an. Gleichzeitig schließen sie mit ihrem „persönlichen“ Einsatz aber auch die drohende Vertrauenslücke an der Heimatfront. Sie demonstrieren: Auch wenn der Politiker nichts tun kann, tut er was. PATRIK SCHWARZ