One-Way-Trip

■ „Orpheus Glance“ auf Kampnagel

Der Soundtrack beginnt im Zoo. Das ist schön und dauert eine Weile, dann kommt etwas. Es trägt eine Sonnenbrille, das Hemd weit aufgeknüpft und die Haare zurückgegeelt. Schwer zu sagen, was das heißt. Ich entscheide mich, dass es sich um den Löwen handeln muss. Der Löwe fängt an zu singen, und es stellt sich heraus, dass er sich selbst auf jeden Fall für Nick Cave hält. Auch in Ordnung. Später brüllt er auch nochmal wie der Löwe. Ein Abend über Helden, also.

Der Zoo sieht auch gar nicht wie ein Zoo aus, sondern wie ein riesiges Puppenhaus. Eine Nick-Cave-Voliere aus einem Holzgerüst und riesigen durchsichtigen Vorhängen. Wunderschön! Nick Cave ist Orpheus und außer ihm wohnen in dem Haus noch ein Engel, Eurydike und ein Typ mit Tätowierungen, vermutlich sein Schatten. Die Geschichte ist schnell erzählt: Der Sänger Orpheus geht in den Hades und kann mit seiner Kunst die Unterwelt überzeugen, seine verstorbene Frau Eurydike wieder freizugeben. Er darf sie mitnehmen, aber sich nicht nach ihr umdrehen. Natürlich tut er es doch – und die Strafe ist grausam.

Das „Junge Hunde“-Theaterprojekt „Motus“ erzählt mit Orpheus Glance nur eine Hälfte dieser Reise. Um welche es sich dabei handelt, hängt davon ab, ob man das Puppenhaus für die Realität oder die Unterwelt hält. Die Szenen, die sich darin abspielen, geben wenig Anhaltspunkt, sondern sind viele eher beeindruckende atmosphärische Miniaturen, immer kurz vor dem Kitsch.. Als Orpheus telephonisch vom Tod Eurydikes erfährt und ewig im Bad verschwindet, dreht sich eine kleine Plastikgiraffe, während der Engel mit einer Babypuppe auf dem Rücken übers Holzgerüst klettert. Immer wieder sehen wir Eurydike hinter einer Spiegelwand, mal alleine, mal mit Partner, mal im aseptischen Nie scheint Orpheus ihrer wirklich habhaft zu werden. Auch wenn sie mit ihm im Puppenhaus ist, bleibt sie seltsam entrückt – wie der ganze Abend.

Orpheus Glance erzählt vom einem tragischen Verlust, einem Weg und der Kunst, die beides vielleicht überdauert. Wenn Orpheus Cave sich aufmacht, dann er nimmt natürlich er seinen Gitarrenkoffer mit. Doch letztlich hat er darin nichts anderes dabei als ein kleine Statue des Marienbildes, das vorher im Traum zu ihm gesprochen hat. Der Löwe ein Held – aber traurig.

Matthias von Harz

heute + morgen, k 2, 20 Uhr