Intimität ertrinkt im Safranreiskochtopf

■ Portrait of a Lady: Boris Lehman über seinen Berlinale-Beitrag „A wie Adrienne“

Adrienne Fonck-Boulvin ist eine 77jährige Dame aus Brüssel. „Dieser Film ist ein Geschenk. Ein Geschenk an eine Dame. Eine Dame, die ich liebe, und die mich liebt.“ Der in Lausanne geborene Regisseur Boris Lehman widmet ihr ein 115minütiges Portrait. Aufgeteilt in kleine Lektionen zeigt er beschauliche Momente aus ihrem Alltag. Der Vorgang des stets dreifachen Reis Waschens wird ausgiebig in Szene gesetzt. Auch erfährt der Zuschauer mehr als genug über einen säuberlich in Silber eingedeckten Tisch. Dann wieder beobachtet er seine Adrienne beim Schwimmen, spielt mit dem Thema Wasser . Vielleicht ein Relikt früherer Zusammenarbeit mit Chantal Akerman. Teilweise schafft der Genfer Professor Lehman sehr intime Momente, wenn er auf dem Objekt der Verehrung voll Respekt mit seiner Kamera verharrt. Und die Dame beginnt, eines ihrer geliebten Volksmärchen aus der persischen Region Khorassan zu erzählen. Dann wieder erzeugen seine Detail-Betrachtungen ganz banal Langeweile. Persönliche Nähe ertrinkt im Kochtopf ihres Safran-Reises.

taz hamburg: Was fasziniert Sie an Adrienne?

Boris Lehman: Sie ist eine sehr großzügige Frau, die Schönheit zeigt. Es ist eine Hommage an die Frauen, oder speziell an diese Frau. Es ist ein Film über das Glück, und glückliche Frauen sind selten im Kino, wo es bevorzug wird, Probleme zu zeigen.

Der Film ist in verschiedene Lektionen aufgebaut. Lernen Sie von Adrienne?

Das ist ein bisschen ironisch gemeint. Das Vorbildhafte ist da schon wichtiger. Ich fühle mich als Waisenkind und die Suche nach einer Ersatzmutter ist auch Thema dieses Filmes.

Sie verweilen sehr lange mit der Kamera bei ganz banalen Alltagshandlungen.

Ja, ich habe die Dinge lang erscheinen lassen. Es ist mir ein Anliegen, Details wirken zu lassen. Kleine Handlungen, die unwichtig erscheinen wie das Annähen eines Knopfes werden von mir variiert. Sie erscheinen dadurch viel länger.

Portaitieren diese kleinen Momente einen Menschen besser?

Ich mag gerne Leute zeigen, die beherrschen was sie tun. Ein Bäcker kann das Brot besser schneiden, als ein Schauspieler. Aber nicht auf einem Seil tanzen.

Wie planen Sie die einzelnen Szenen?

Ich schreibe mit der Kamera. Ein Drehbuch gab es nicht. Und grundsätzlich drehe ich nur eine Einstellung von einer Szene.

Adrienne sagt, sie hoffe den fertigen Film noch erleben zu können?

Sie hat ihn gesehen. Allerdings ist sie schwer krank und deshalb auch nicht mit mir gereist. Sie ist sehr schön und stark in diesem Film.

Interview: Volker Peschel

Fr, 5. Mai, 17 Uhr (Gast: Boris Lehman), Mo, 8. Mai, 21.15 Uhr, Metropolis