Weisheit der Straße

Jede Menge Gras: Mit der Doppel-CD „Skull & Bones“ bekennen sich die HipHop-Kiffer von Cypress Hill zum Rock. Auf „Skull“ geht die sonnendurchtränkte Lockerheit entspannt tröpfelnder Beats als Gangster-Funk durch. Auf „Bones“ gibt es die klassische Rockbesetzung

von THOMAS WINKLER

Gerüchte waren im Umlauf, Cypress Hill hätten dem THC abgeschworen. Ausgerechnet Cypress Hill, die den Kiffköppen dieser Welt ihre letztgültige Hymne „I Wanna Get High“ geschenkt hatten. Deren CD-Booklets eher Legalisierungspropaganda als Textblatt waren. Und die regelmäßig ein Festival namens „Smoke Out“ organisieren und NORML, die National Organization to Reform Marijuana Laws, unterstützen.

Aber Louis Freese alias B-Real kann einen da beruhigen. Er wäre in einem Interview nur falsch interpretiert worden, sagt der Rapper. Das Quartett aus Los Angeles habe den Marihuanakonsum zwar „etwas eingeschränkt, aber es gehört immer noch zum Alltag“. Wie zum Beweis schleppt sich, als er das sagt, seine Stimme eher vorsichtig tastend dahin und schleift die ein Wort abschließenden Konsonanten in schöner Regelmäßigkeit ab. Das klingt ungefähr so, wie sich die Rhythmen von Cypress Hill früher anhörten.

Aufgeräumter, fröhlicher HipHop

Früher. Denn auf „Skull & Bones“, der neuen Doppel-CD, hören sich nicht nur die Beats anders an – ihr HipHop ist nun fast schon aufgeräumt und fröhlich. Die düsteren Gothic-Miniaturen früherer Tage werden mitunter abgelöst von sonnendurchtränkter Lockerheit, und „Highlife“ mit seinen Geigen-Samples und den entspannt tröpfelnden Beats geht durchaus als G-Funk-Stück durch. So ist das jedenfalls auf der ersten der beiden CDs, „Skull“.

Auf „Bones“ geht es ganz anders zur Sache: Sechs Stücke lang tauschen Cypress Hill Sampler, Beatbox und Turntables gegen eine ganz klassische Rockbesetzung, die ungefähr die Sorte stumpf stampfenden HipHop-Metal-Crossover spielt, mit der Limp Bizkit und Kid Rock sich momentan goldene Nasenscheidewände verdienen. Man habe „mal was Neues ausprobieren“ wollen, erklärt B-Real, den eigenen Sound haben man schließlich inzwischen perfekt im Griff. Außerdem habe man schon immer gerne Rock gehört.

Das Gute und das Schlechte im HipHop

Für die Metallunterlage sorgen Gitarrist und Bassist von Fear Factory und der Schlagzeuger Brad Wilk. Der trommelt hauptberuflich bei den aufrechten Politrockern Rage Against The Machine. Mit Alternative Rock und seinen Ideen, so wirkt es nun plötzlich, hatten Cypress Hill schon immer mehr gemeinsam als mit den HipHop-Kollegen. „Es gibt Gutes und Schlechtes im HipHop“, erklärt B-Real, „das Schlechte ist die Idealisierung des Materialismus.“

Während auf der anderen Straßenseite von Goldketten, Gangs und einem Lexus gerappt wurde, propagierten Cypress Hill die Ideale der Sixties: Solidarität, Gemeinschaftsgefühl und jede Menge Gras rauchen. Komischerweise wirkte das niemals altmodisch, stattdessen lebten sie die gute alte Völkerverständigung bereits im Gruppenzusammenhang: DJ Muggs ist ein New Yorker italienischer Abstammung, Rapper Sen Dog ist auf Kuba geboren, und B-Real ist gebürtiger Kalifornier mit mexikanisch-kubanischen Wurzeln. Das vierte Gruppenmitglied, Eric Bobo, kommt aus New York, von den Beastie Boys. Von Anfang an rappten sie gegen die Gewalt im HipHop, und B-Real reflektierte kritisch seine Gang- und Crack-Vergangenheit, die er nach einem Steckschuss in der Lunge beendet hatte.

Im Laufe der Jahre habe man wohl „einige zum Nachdenken gebracht. Aber die Leute wachsen immer noch in diesen Scheiß hinein“, resümiert B-Real. Trotzdem seien „grundsätzliche Veränderungen“ beobachtbar, „lange nicht mehr so viele gehen in Gangs“.

Ihrer hispanischen Herkunft trugen Cypress Hill letzten Dezember mit „Los Grandes Exitos En Español“ Rechnung, für die sie ihre größten Hits in spanischen Versionen neu aufnahmen. Es ist die Platte, die die Community, aus der sie stammen, schon lange gefordert hatte. So lässt sich auch die mittlerweile fünfte Studio-Einspielung „Skull & Bones“ schlussendlich als die Erfüllung von Publikumserwartungen interpretieren. Weil Cypress Hill niemals Berührungsängste kannten, rekrutierte sich das Publikum schließlich schon immer zu fast gleichen Teilen aus HipHop-Heads und Rockfans.

Irgendwo zwischen Hippiehängertum, politischen Inhalten und der Weisheit der Straße haben sie sich ihre ganz persönliche Nische eingerichtet. Mit „Skull & Bones“ haben sie sie neu tapeziert und sitzen nun stolz zwischen allen verfügbaren Stühlen, als wäre es genau das, was sie schon immer vor hatten. „Musik ist für jeden da“, sagt B-Real, „egal welche Hautfarbe er hat.“ Ihre Leistung ist es, dass das alles trotzdem nicht nach United Colors klingt.

Cypress Hill: Skull & Bones (Columbia/Sony)