Prozess vertagt

Schwerverbrecher Dieter Zurwehme will nächste Woche vor Gericht eine Erklärung abgeben

KOBLENZ taz ■ Es ging alles rasend schnell am ersten Prozesstag gegen den Schwerverbrecher Dieter Zurwehme, besser bekannt als der „Killer von Remagen“, gestern vor dem Landgericht in Koblenz. Kaum hatte der 57-jährige Angeklagte neben seinen drei Verteidigern Platz genommen und Oberstaatsanwalt Lothar Mille die Anklage verlesen, da war die Verhandlung auch schon wieder beendet und auf nächste Woche vertagt. Erst dann will der wegen vierfachen Mordes angeklagte Zurwehme eine Erklärung abgeben. Die Verteidiger hatten sich bei Gericht beschwert, nicht genügend Zeit für die Besprechung mit ihrem Mandanten bekommen zu haben.

Zurwehme war nach 26 Jahren Haft, wegen eines Mordes an einer Sekretärin, im Dezember 1998 aus dem Hafturlaub nicht zurückgekehrt. Stattdessen fuhr er ziellos mit dem Fahrrad durch Deutschland. Am 21. März 1999 soll er in Remagen zwei Ehepaare brutal ermordet haben, um an etwas Bargeld zu kommen.

Ein beispiellose Verfolgungsjagd begann, doch Zurwehme entkam dem Großaufgebot der Polizei immer wieder, ehe ihn schließlich zwei Streifenbeamte im August vergangenen Jahres im vorpommerschen Greifswald völlig unspektakulär auf der Straße festnahmen. Zuvor hatten Polizisten wegen einer Fahndungspanne versehentlich einen Kölner Touristen erschossen, den sie für Zurwehme hielten.

Die wenigen Augenblicke im Gerichtssaal zeigten einen aufgeräumten, zu Scherzen mit seinen Anwälten aufgelegten Zurwehme, der wohl genährt und mit sein langen weißen Haaren fast wieder so aussah wie zu Beginn seiner Flucht.

Zwei Geschwister der Mordopfer, Heinz und Otto Becker, sitzen als Nebenkläger mit im Gerichtssaal. Ihr Anwalt nutzte die Zeit, den zahlreichen Medienvertretern seine Sicht darzustellen: „Diese Bestie darf nie wieder frei herumlaufen.“ Otto Becker verlangte gar „die Todesstrafe für so einen“.

Die Verteidiger von Zurwehme kündigten an, ihr Mandant werde am kommenden Donnerstag nur zu seinen persönlichen Verhältnissen etwas aussagen, nicht aber zu den Vorwürfen – ausgenommen denjenigen der versuchten Vergewaltigung einer 15-Jährigen in Juli 1999 in der Nähe von Stadthagen. Damit wolle Zurwehme, so erläuterte einer der Anwälte gegenüber der taz, „dem Opfer einen Auftritt vor Gericht als Zeugin ersparen. Wenn Sie so wollen“, so Rechtsanwalt Mirko Roszkamp, „zeigt unser Mandant dadurch menschliche Gefühle.“ Allerdings hatte Zurwehme der Polizei gegenüber die Morde bereits gestanden.

Die Gründe, warum das Gericht die Verhandlung nach nur 20 Minuten vertagte und nicht etwa durch eine kurze Unterbrechung den Verteidigern die Möglichkeit zur Rücksprache mit Zurwehme einräumte, blieben das Geheimnis des Vorsitzenden Richters. Möglicherweise hofft Richter Mille, dass durch den Zeitgewinn auch das immense Medieninteresse abflaut und die Verhandlung in einer ruhigeren Atmosphäre verläuft. Mehr als fünfzig Vertreter von Fernsehstationen, Radiosendern und Zeitungen hatten den Prozessauftakt verfolgt. Zurwehme wusste das Medieninteresse zu nutzen. Auf die Frage eines Reporters eines Privatsenders, ob er seine Taten bereue, antwortete er im Gerichtssaal: „Ja sicher. Es tut mir sehr Leid – aber das jetzt alles zu erzählen, dafür reicht die Zeit nicht.“ PHILIPP MAUSSHARDT