Medienmacht „Washington Post“

Als die Washington Post am 6. 12. 1877 zum ersten Mal erschien, war an Frauen als Journalistinnen oder gar Verlegerinnen noch nicht zu denken – auch wenn der Zeitungsgründer ein demokratischer Politiker und Journalist wie Stilson Hutchins war. Die erste Ausgabe hatte vier Seiten und eine Auflage von zehntausend Exemplaren. Zu den Autoren der Anfangszeit gehörten unter anderem Joseph Pulitzer und der damals noch relativ unbekannte Theodore Roosevelt.

Nach dem Verkauf an den Bankier Beriah Wilkins und den Republikaner Frank Hatton geriet die Zeitung ab 1889 auf konservativen Kurs. Dieser wurde bereits 1905 wieder geändert: Der Demokrat JohnMcLean kaufte das Blatt. Er führteComics, Klatsch und Sensationsschlagzeilen ein. Mit Erfolg:Auflage und Anzeigeneinnahmen stiegen. Als McLeans Sohn Edward die Post übernahm, ging es jedoch abwärts. 1933 wurde die bankrotte Zeitung öffentlich versteigert. Der kalifornische Bankier Eugene Meyer war mit 825.000 Dollar Einsatz der Sieger.

Als Meyer 1946 die Geschäfte an seinen Schwiegersohn Philip Graham übergab, war die Zeitung ein rentables Unternehmen mit einer Auflage von 162.000 Exemplaren und einem Team von renommierten Journalisten. Ein neues, größeres Redaktionsgebäude wurde errichtet. Auch publizistisch setzte der neue Chef auf Expansion: In den Fünfzigerjahrenerwarb er für die Washington Post Company die ersten Fernsehbeteiligungen und kaufte 1961 dasMagazin Newsweek.

Nach Grahams Selbstmord übernahm seine Frau Katherine, die seit 1939 als Redakteurin gearbeitet hatte, den Konzern. Sie baute ihn zur millionenschweren Medienmacht aus: Radio- und Fernsehstationen, Tageszeitungen und Datenbanken kamen dazu. Die größten journalistischen Erfolge – die Veröffentlichung der Auszüge aus den „Pentagon Papers“ zum Vietnamkrieg und der Watergateskandal – fielen ebenfalls in ihre Regentschaft.

In den Achtzigerjahren wurdenWashington Post und Newsweek zahmer – Homestorys statt regierungskritischer Reportagen hieß der neue Kurs. 1991 übergab Katherine Graham die Geschäftsführung an ihren Sohn Donald. Gemeinsam halten die beiden noch immer sechzig Prozent des Unternehmens, das im letzten Jahr Nettoeinnahmen von rund 226 Millionen Dollar hatte.

NADINE LANGE

Katharine Graham: „Wir drucken!“ München 1999, Kindler Verlag, 704 Seiten, 68 Mark