„Wir brauchen eine öffentliche Debatte“

■ SPD-Anhörung zur Novelle des Polizeigesetzes / Koalitionskonflikte sind programmiert bei Todesschuss, Platzverweis, Lauschangriff und verdachtsunabhängiger Überprüfung

Das Bremer Polizeirecht von 1983 galt bundesweit lange als vorbildlich. Doch die Innenbehörde unter Senator Bernt Schulte (CDU) plant mit der Novellierung des Bremischen Polizeigesetzes eine Verschärfung, vor der Experten wie der Bielefelder Polizeirechts-Experte Professor Christoph Gusy warnen. Der Referentenentwurf aus dem Innenressort, über den sich die Koalitionsfraktionen von SPD und CDU nach den Plänen des Innenressorts noch vor dem Sommer einigen sollen, sieht neben dem „finalen Rettungsschuss“ eine verdachtsunabhängige Personalienüberprüfung, Videoüberwachung, verdeckte Ermittler, den Lauschangriff sowie den Platzverweis bei einfachem Tatverdacht vor. Diese in der Koalition strittigen Themen brachte die SPD am Donnerstag bei einer ersten öffentlichen Anhörung aufs Tapet. Nicht debattiert wurde der „finale Rettungsschuss“. SPD-Innenpolitiker Hermann Kleen dazu: „Der ist mit mir nicht zu machen.“ Ohnehin sei eine Polizeigesetzreform mit der CDU als Koalitionspartner nicht leicht.

Verfassungsrechtler wie der Bremer Professor Dian Schefold haben angesichts der Kompromisszwänge in einer Großen Koalition jedoch weitergehende Bedenken. Er forderte deshalb: „Wir brauchen bei diesem hochgradig wichtigen Thema eine eigenständige, öffentliche Debatte, in der bundespolitische Trends nicht den Ton vorgeben dürften.“ Damit widersprach er dem in der Debatte von Polizei und Inneres immer wieder vorgebrachten Argument, Bremen müsse sich mit seiner Insellage an Niedersachsen orientieren. Ein Argument, das auch die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen, Bertram Zwanziger, ablehnte: „Man kann den Bremern zum Erhalt des Bundeslandes nicht täglich Kürzungen auferlegen und dann beim Polizeirecht so tun als gäbe es keine Länderhoheit.“ Auch Gusy mahnte: „Sie haben einen Ruf zu verteidigen.“ Mit dem jetzt vorgelegten Entwurf jedoch nähere Bremen sich an die Gesetzgebung der süddeutschen Länder an.

Tatsächlich sieht der Bremer Entwurf nicht nur Videobeobachtung vor, bei der allerdings nicht gefilmt wird. Künftig sollen auch „anlassunabhängige Personenkontrollen“ möglich sein, wie es sie in allen Bundesländern außer Nordrhein-Westfalen bereits gibt. Dann könnten Passanten ohne konkreten Verdacht künftig zur Ausweiskontrolle festgehalten werden. Dies ist nach Gusy „diskussionsbedürftig“ – schon weil unklar sei, ob sich dieses Vorgehen in den Anwenderländern bewährt habe. Auch fordere das Verfassungsgerichts von Mecklenburg-Vorpommern vom Gesetzgeber, dass für eine solche Intervention ein Gefahrenverdacht im Gesetz klar formuliert sein müsse. Nur die Verhinderung schwerer Straftaten rechtfertige Kontrollen. Dabei betonte Gusy, nicht die Aufgaben der Polizei seien strittig. Fraglich sei jedoch, wie mit einem „Eintopf-Instrumentarium“ der Anspruch der Verhältnismäßigkeit gewahrt werde.

Die Eingangsfrage des Abends, „wozu brauchen wir diese neuen Instrumente?“, blieb auch nach zweistündiger Debatte offen. Argumente von Kripochef Eckhardt Mordhorst, warum über die Abhör-Überwachung von Geiselnehmern künftig statt eines Richters der Senator entscheiden solle wurde allgemein kritisch widersprochen – von einem zwar hochkarätigen, aber nur 30-köpfigen Fachpublikum. ede