Tendenz Klassenkampf

Nach der Neuordnung der Turnierserien im Tennis durch die ATP kämpfen die kleinen Veranstaltungen ums Überleben und die schwächeren Spieler um ihre Profi-Existenz

aus MünchenKARL-WILHELM GÖTTE

„ATP-Champions-Race 2000“ sollte der große Schlager im Profitennis werden. Die Formel 1 galt den Tennis-Machern als Vorbild. Doch auch nach vier Monaten Race will keine richtige Spannung aufkommen. Die gleichen Namen wie seit Jahren, Agassi, Kafelnikow, Sampras etc., stehen wieder an der Spitze der Branche. Versteckt werden die großen Turniere jetzt im Bezahlfernsehen, und lokale deutsche Matadoren fallen zur Zeit reihenweise aus. Für die Veranstalter kleinerer Turniere hat dies fatale Folgen – die Zuschauer bleiben weg.

Bei den Internationalen Bayerischen Meisterschaften in der Fußballstadt München, mittlerweile ein Turnier der World-Series, also der vierten Kategorie, gingen nach der verletzungsbedingten Absage von Nicolas Kiefer immerhin noch sieben Deutsche – drei davon mit Wild Cards des Turnierdirektors Niki Pilic – an den Start. Außer Thomas Haas, der gestern mit einem 6:3, 6:4-Sieg gegen den Argentinier Frederico Browne das Halbfinale erreichte, kam keiner in die zweite Runde. Am nächsten Tag, als Haas nicht spielte, verloren sich bei so reizvollen Partien wie Max Mirnyi gegen Hernan Gumy oder Fernando Meligeni gegen Gaston Etlis nur einige hundert Zuschauer auf der Anlage.

Die 46 Turniere der World-Series – in Deutschland neben München noch das Rasenturnier in Halle/Westfalen – stehen bei der mächtigen Spielervereinigung ATP ohnehin zum Abschuss bereit. Die volle Vermarktungskonzentration gilt der Masters-Series, den Super-9-Turnieren, die die ATP als Hausmacht gegenüber den vier Grand Slam-Turnieren braucht, auf die der Tennis-Weltverband (ITF) den Zugriff hat. Als Unterbau der Masters-Serie mit 3 Millionen Dollar Preisgeld reichen der ATP die elf Turniere der Championship-Series, die mindestens 800.000 Dollar an Gewinnprämien an die Spieler verteilen müssen.

„Die ATP verlangt von uns, dass wir alle zwei Jahre das Preisgeld erhöhen. Das ist kaum zu schaffen“, sagt Erich Schmitt, Geschäftsführer der Veranstaltungs-GmbH des Münchner Klubs Iphitos. „Die kleinen Turniere werden langsam getötet“, ist er sicher. „Den kleinen Veranstaltern wird die Liebe zu ihrem Turnier genommen“, fügt Erich Schmitt, der seit 1954 als Stuhlschiedsrichter und später als langjähriger Vorsitzender des Vereins bei jedem Turnier dabei war, desillusioniert hinzu. Die Münchner mussten dieses Jahr nach dem Ausfall zweier Sponsoren erst einmal das Preisgeld auf das World-Series-Minimum von 400.000 Dollar senken. „Die Sponsorenakquisition ist nahezu tot“, erzählt Erich Schmitt.

Dazu hat das die Spiele übertragende DSF seinen Beitrag erheblich reduziert. Begründung: Zu wenige attaktive Spieler. Die Stars konzentrieren sich auf die großen Turniere, bei denen sie antreten müssen, um Punkte für das Champions-Race zu machen. In München tauchte neben Thomas Haas als namhafter Profi nur der Schwede Thomas Enqvist auf, der Elfte der Weltrangliste. Die Masse der Teilnehmer kommt aus dem Feld der Namenlosen zwischen Platz 40 und 80. Die Besseren spielen nächste Woche in Rom und danach in Hamburg. Die Schlechteren kommen nicht mal mehr in diese Turniere rein. „Ab Platz 100 kommst du jetzt kaum noch in die Qualifikation dieser Turniere und musst gucken, dass du bei einem Challenger unterkommst“, weiß Oliver Gross, momentan 180. in der Welt, aus eigener leidvoller Erfahrung der letzten vier Monate.

Erich Schmitt wagt dann auch eine durchaus einsichtige Prognose: „Der Unterschied zwischen Superreichen, Reichen, Mittelverdienern und echt mittellosen Spielern, wie ein Großteil der heutigen Qualifikanten, könnte demnächst zum Klassenkampf einladen.“