Wirtschaftskrimi Entsorgungsfront

Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen die Löbbert-Gruppe dauern an. Die zum Löbbert-Imperium gehörenden Gesellschaften Berzelius Umweltservice AG, Lösch AG und Sero AG befinden sich im „Überlebenskampf“

aus Frankfurt am MainKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Das waren extrem ungewöhnliche Hauptversammlungen (HV) gestern und vorgestern in Frankfurt am Main: Die Rumpfvorstände der Entsorgungsunternehmen Lösch AG Dülmen und Sero AG Berlin, schlugen den anwesenden Aktionären vor, Vorstandsmitglieder und Aufsichträte vorerst nicht zu entlasten. Denn gegen sieben Manager der Euro Wast AG (EWS) der Gebrüder Dieter und Johnnes Löbbert, zu der die beiden Unternehmen gehörten, ermittelt seit Ende 1998 die Staatsanwaltschaft in Bielefeld. Die Gebrüder Löbbert, die in den Aufsichtsräten der beiden Entsorgungsunternehmen und im Aufsichtsrat der auch zur Löbbert-Gruppe gehörenden B.U.S. Berzelius AG (BUS) Duisburg saßen, wurden erst Ende 1999 mit strengen Auflagen aus gesundheitlichen Gründen aus der Untersuchungshaft entlassen. „Lastwagenweise“ seien in allen Unternehmen des „Imperiums“ der Gebrüder Löbbert Akten beschlagnahmt worden, sagte der mit dem „größten Wirtschaftsermittlungsverfahren in der Geschichte dieser Staatsanwaltschaft“ befaßte Oberstaatsanwalt Dannewald der taz.

Die Brüder gelten als die Drahtzieher groß angelegter Betrugsmanöver und ihnen wird vorgeworfen, sich persönlich bereichert zu haben. Ermittelt wird wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung, Kreditbetrug, und Subventionsbetrug. Zudem wird ihnen und einigen Vorstandsmitgliedern der Entsorgungsfirmen auch zur Last gelegt, Bilanzen gefälscht zu haben. „Luftbuchungen“ seien die Grundlage für die kriminellen Machenschaften bei EWS und den zur Holding gehörenden Unternehmen gewesen, sagte Dannewald. Da seien etwa Rechnungen für Straßenbauarbeiten auf Firmengelände verbucht worden, „aber am angegebenen Ort gibt es überhaupt keine Straße“ (Dannewald). Oder es wurden Lieferungen „bezahlt“, die nie in einem Unternehmen der Gruppe ankamen. Auf der Hauptversammlung der Lösch AG für das Geschäftsjahr 1998 – das Jahr 1999 untersuchen derzeit Buchprüfer und Staatsanwälte noch gemeinsam – legte Rumpf-Vorstandssprecher Karl T. Müller auch offen, dass andere Unternehmen der Löbbert-Gruppe diverse Materialien zu „überhöhten Preisen“ an Lösch geliefert hätten. Und dass Lösch an Firmen der Gebrüder Löbbert, die nicht zum Unternehmensverbund gehörten, auf Anweisung auch „Darlehen“ hätte ausschütten müssen. Das alles sei „ans Eingemachte gegangen“, klagte Müller. Der Schaden: 309 Millionen Mark. Die Betrogenen sind die Aktionäre und die Beschäftigten. Alleine bei Lösch wurden 150 Arbeitsplätze „abgebaut“. Müller wurde auf der HV beschuldigt, selbst in die kriminellen Machenschaften verwickelt gewesen zu sein. Als ein Aktionär einen Katalog mit 178 kritischen Fragen an die Adresse der zwei verbliebenen Vorstandsmitglieder Müller und Mark Martin an Pressevertreter verteilte, wurde die HV kurz unterbrochen. Mitarbeiter der Lösch AG wollten das umfangreiche Papier wieder einsammeln; natürlich vergeblich. Da stand dann endgültig fest, dass bei Lösch die Nerven blank liegen.

Und wie geht es weiter im „Überlebenskampf“ (Müller) der gesamten EWS-Firmengruppe? Die Nordag AG, hervorgegangen aus der Dornkaat AG, hat jetzt den gesamten abgestürzten Laden übernommen. Allerdings: Auch scharfzüngige Kritiker der Geschäftspolitik der drei Entsorgungsfirmen, wie etwa der Finanzkommunikator Klaus A. Lube aus Alzenau, bewerten die Übernahme positiv. Lube behielt sich allerdings vor, gegen das ehemalige Aufsichtsratsmitglied diverser Firmen der Löbbert-Gruppe, Brun-Hagen Hennerkes, demnächst „mit allen Mitteln“ vorzugehen. Lube hatte Vorstand und Aufsichtsrat von Lösch und BUS schon im April 1998 auf die kriminellen Machenschaften der Gebrüder Löbbert aufmerksam gemacht und war dafür von Hennerkes öffentlich abgemeiert worden. Bis zu ihrer Verhaftung im Dezember konnten die Löbberts so noch Millionenbeträge auf die Seite schaffen.