Kohl las Schreibers Briefe

Neue Aktenvermerke aus dem Kanzleramt belegen: Helmut Kohl interessierte sich sehr wohl für die Aktivitäten des Waffenhändlers. Offenbar fungierte Schreiber sogar als Mittelsmann zwischen Kohl und Kanadas Ex-Premier Mulroney

von TINA STADLMAYER

Die Briefe des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber an Helmut Kohl haben 1997 im Bundeskanleramt heftige Aktivitäten ausgelöst. Aus Aktenvermerken geht hervor, dass ein Schreiben des zwielichtigen Bayern vom 29. 1. 1997 von zwei Abteilungsleitern, von Kanzleramtschef Friedrich Bohl und von Helmut Kohl selbst gelesen wurde.

Der damalige Kanzler hat offensichtlich Vermerke daraufgekritzelt und um Rücksprache mit Bohl gebeten. Aus diesen und anderen Schriftstücken geht eindeutig hervor, dass sich Kohl sehr für die Aktivitäten Schreibers interessierte. Bislang hatte Kohl immer behauptet, er habe mit Schreiber nichts zu tun gehabt.

In dem Brief Schreibers an Kohl („Betrifft: sog. Airbusskandal“) ist von „verleumderischen Anschuldigungen“ des kanadischen Justizministeriums gegen den früheren kanadischen Premierministers Brian Mulroney die Rede. Damit meint er ein Ermittlungsverfahren gegen Mulroney wegen des Verdachts, er habe sich von Schreiber im Zusammenhang mit Airbus-Lieferungen an Kanada bestechen lassen. Der Waffenhändler schreibt, Mulroney sei „das völlig unschuldige Opfer“ und sei „von mir zu keiner Zeit bestochen“ worden.

Schreiber erinnert daran, dass er als Gast bei einem Mittagessen dabei war, das Kohl zu Ehren Mulroneys gegeben hatte. Es folgt die Aufforderung: „Ich weiß, dass Brian Mulroney sich über ein paar Worte gerade von Ihnen in der Angelegenheit freuen würde.“ Schließlich seien „wir Deutsche“ Mulroney „in besonderer Weise verpflichtet“.

Mulroney habe sich nämlich beim damaligen amerikanischen Präsidenten George Bush für die Wiedervereinigung Deutschlands eingesetzt: „Sein Einsatz für die Wiedervereinung Deutschlands hat mich damals davon abgehalten, seine Regierung wegen des Vertragsbruches in der Angelegenheit Thyssen – gepanzerte Fahrzeuge MRCV – über die Firma Thyssen BHI Canada, deren Chairman ich war, – zu verklagen. Die Angelegenheit ist Ihnen bekannt und mitnichten ausgestanden!“ Hier spielt Schreiber auf ein geplatzes Panzergeschäft mit Kanada an. Schreiber verstand sich offensichtlich als erfolgreicher Diplomat im Dienste Deutschlands und erwartete dafür eine Gegenleistung.

Zwei Wochen nach dem Eingang des Briefes schrieb der zuständige Abteilungsleiter Bitterlich einen Vermerk („persönlich/vertraulich“) an Kohl („Betreff: sog. Airbusaffaire“), in dem er sich auf eine Rücksprache Kohls mit Kanzleramtschef Bohl berief. Der Kanzler habe um einen Bericht in der „o. a. Angelegenheit“ gebeten. Bitterlich warnte Helmut Kohl, dass gegen Schreiber ein Ermittlungsverfahren laufe und schlug deshalb vor, „dass Sie nicht persönlich reagieren, sondern ich knapp antworte“.