Wenn Inseln bauen wollen
: Beton oder Strandsand

■ Erbitterter Streit um zukünftige Gestaltung des Nationalparks Wattenmeer

Wenn sich BremerInnen an einem niedersächsischen Strand den Stress aus dem Kröper aalen, dann tobt um sie herum ein erbitterter Streit um jeden Quad-ratzentimeter Strand. Der Grund: Das Land Niedersachsen hat vor einem Jahr die alte Verordnung für den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer in ein Gesetz umgewandelt.

Alle waren vergrätzt. Naturschützer hofften, das Gesetz würde den Schutzstatus im Nationalpark erweitern. Fehlanzeige. Insel- und Küstengemeinden fühlten sich dagegen in ihrer Entwicklung eingeschränkt und drohten mit Klage. Daraufhin beschloss der Landtag, das neue Gesetz abzuändern. Anfang Juni wird nun das Umweltministerium dem Landtag einen Bericht vorlegen, wie das Gesetz geändert werden könnte.

Der Interessenskonflikt könnte schärfer nicht sein. Auf der einen Seite stehen mehrere Millionen Übernachtungen an der Nordseeküste. Im nationalen Vergleich aber schneidet die niedersächsische Ferienküste schlecht ab: zu teuer, zu langweilig, zu schlechtes Angebot. In punkto Attraktivität hat die ostdeutsche Ostseeküste den Niedersachsen bereits den Rang abgelaufen.

Auf der anderen Seite fächeln Naturschützer mit diversen Naturschutzverordnungen. Weltweit gilt das Wattenmeer als einzigartig. Zum Beispiel als Biotop mit weitreichender Bedeutung für den Artenbestand von Vögeln. Während der Umwandlung der alten Nationalparkverordnung in ein Gesetz hofften Umweltschützer auf eine Erweiterung des Schutzstatus. Es erfolgte aber nur eine so genannte eins zu eins Umwandlung, die punktgenaue Übernahme der Verordnung als Gesetz.

Was Umweltverbände wie der WWF als strategischen Erfolg interpretierten, empfanden Inselgemeinden aber schon als Zumutung. Sie drohten kollektive Klage an. Seitdem wird gefeilscht und geschachert.“ Wir haben hart verhandelt“, freut sich der Bürgermeister der kleinsten ostfriesischen Insel, Baltrum, Gerd Altheinz. Seinen Gemeinderat ließ diese Freude kalt. Letzte Woche beschloss der Rat, gegen das zu erwartende Gesetz zu klagen, wenn der gesamte Inselkörper nicht aus dem Nationalpark herausgenommen wird.

Eine Forderung, die wenig Aussicht auf Erfolg haben dürfte. Denn allen anderen Inseln dient diese Forderung nicht mal zur Propaganda. Wie sich der Nationalpark genau verändern wird, darüber schweigt sich das Umweltministerium aus. „Darü-ber entscheidet allein der Landtag“, erklärt Ute Kreutzenberk, Sprecherin des Umweltministeriums, gegenüber der taz.

Glaubt man den Inselvertretern, sind die Verhandlungsergebnisse allerdings bereits „im Sack“. Es sei „unsinnig, in intensiv genutzten Gebieten oder in Stadtnähe geschützte Zonen einzurichten“, hatte Ludwig Salverius, stellvertretender Stadtdirektor von Norderney schon früher geschimpft. Jetzt hat Norderney gepokert, seinen Golfplatz erweitern zu dürfen. Ein Begehren, das die AG Nationalpark, eine Arbeitsgruppe von Naturschutzverbünden für unsinnig hält. Trotzdem versuchte beispielsweise der WWF mit dem Hardliner der Inselgemeinden, Andreas Kaib, Vertreter der Stadt Borkum, „gemeinsame Positionen“ abzutasten.

Doch Borkum will seine Strände aus dem Nationalpark herausgenommen haben. Mit anderen Inseln will Borkum Erweiterungen seinen Flugplatzes ermöglichen. Nicht nur kleine Jet-Setter sollen die Inseln anfliegen können, sondern größere Maschinen. Glaubt man Gerüchten in den regionalen Fluggesellschaften, ist dies keine Zukunftsmusik. „Wir müssen überlegen, wo es sinnvoll ist, Veränderungen des Nationalparkes vorzunehmen“, kündigt Ute Kreutzenberk vom Umweltministerium an. Klare Absprachen mit den Inseln bestätigt sie aber – noch – nicht. schuh