KaDeWe öffnet trotz Streik

Das Kaufhaus des Westens öffnet erstmals an einem Sonntag. Die Beschäftigten folgen dem Streik-Aufruf der Gewerkschaft kaum. KaDeWe-Chef lehnt regelmäßige Sonntagsöffungen ab

von RICHARD ROTHER

Ohne nach rechts und links zu schauen, eilen sie in einen der Nebeneingänge des Kaufhauses des Westens, KaDeWe: Manche der Beschäftigten, die gestern pünktlich um halb zwölf zur Sonntagsarbeit erschienen sind, halten den Kopf gesenkt – das böse Wort Streikbrecher fällt aus den Reihen erregter Gewerkschafter, die vor der Türe protestieren. „Wollt ihr heute nicht lieber an den See?“, ruft einer seinen arbeitswilligen Kollegen zu. Keine Antwort. Dafür kleinere Rangeleien zwischen Gewerkschaftern und Hausangestellten, die den Arbeitswilligen eine Gasse durch die Protestierer freihalten wollen. Die Sonne brennt – erhitzte Stimmung, aber es bleibt beim verbalen Schlagabtausch.

Das KaDeWe öffnete gestern erstmals an einem Sonntag. Rund 1.000 weitere Geschäfte haben eine Ausnahmeregelung zur Sonntagsöffnung genutzt; Anlass war ein Chirurgen-Kongress. „Ohne Sonntage gibt es nur noch Werktage“ steht auf den Transparenten der Streikenden vor dem KaDeWe. Der einzige freie Tag zum Ausruhen, für soziale Kontakte, Partner und Muße solle ihnen genommen werden, argumentieren sie auf einem Flugblatt für die Kunden. Dagegen wollen sie sich wehren. Aber den symbolischen Kampf um das KaDeWe, eines der größten Kaufhäuser Europas und letzte Bastion der Gewerkschafter – diesen Kampf haben sie gestern verloren. „Ich hätte mir mehr erwartet“, sagt Manfred Birkhahn, sichtlich angespannt. Der Landeschef der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) spricht von einem Fünftel des Personals, das dem Streikaufruf gefolgt sei. KaDeWe-Chef Volker Weihe: „Fast alle unsere Mitarbeiter sind zur Arbeit erschienen.“

Im Kaufhaus herrscht fast Sonntagsruhe – von einem Streik ist genauso wenig zu spüren wie von einem Riesen-Ansturm. Die Kassen und Stände sind durchweg besetzt, die Verkäuferinnen sind freundlich wie immer, die Kunden schlendern durch die Regalreihen. Zwei Kolleginnen seien nicht gekommen, berichtet eine Verkäuferin in der Kinderabteilung. Sie habe keine große Lust, sonntags zu arbeiten. „Aber es geht nun einmal nicht anders.“ Für eine Verkäuferin in der Spielwarenabteilung ist „das Kind sowieso schon in den Brunnen gefallen“.

Knapp 200 Gewerkschafter haben sich auf dem sonnigen Wittenbergplatz versammelt, um Flugblätter zu verteilen. Eine Verkäuferin aus der Kinderabteilung ist enttäuscht, „dass so viele arbeiten“. Ihre Kolleginnen hätten Angst um den Job, sagt die 40-Jährige. Dabei sei der Streik legal, weil es um einen neuen Arbeitszeit-Tarifvertrag gehe, der Sonntagsarbeit im Einzelhandel ausschließen soll. „Ich will sonntags mit meinen Kindern Hausarbeiten machen.“

Volker Weihe steht vor dem Haupteingang des Hauses, die hereinkommenden Kunden beobachtend. Für den KaDeWe-Geschäftsführer war der Sonntag ein voller Erfolg. „Für den Ruf unseres Hauses und das Image Berlins ist es wichtig, dass wir geöffnet haben.“ Rund 100.000 Kunden waren nach Firmen-Angaben bis zum späten Nachmittag im Haus – bei Umsätzen wie an einem guten Wochentag. Von regelmäßigen Sonntagsöffnungen hält Weihe jedoch nichts. „Der Sonntag macht nur als Ausnahme Sinn.“ Würde der Sonntag ein Werktag, verteilten sich die Umsätze lediglich über die Woche – bei höheren Kosten.

In der Parfümerieabteilung ist früh am Nachmittag noch nicht viel los. „Dieser frisch-fruchtige Duft erinnert an Frühling“, sagt eine Verkäuferin. Sonntagsarbeit macht ihr nichts aus. „Aber dann will ich was zu tun haben.“ Seit Öffnung des Geschäfts hatte sie nur zwei Kunden.