Antreten zum Schrumpfen!

Pläne zur Verkleinerung der Bundeswehr stoßen auf Genugtuung bei den Grünen, aber auf Kritik bei Union und SPD. Nur noch 30.000 junge Männer sollen jährlich eingezogen werden

BERLIN taz ■ Nur die Grünen freuen sich ganz offen: Der Vorschlag der Wehrstrukturkommission sei der erste, der „eine wirkliche Reform verspricht und sich nach den politischen Rahmenbedingungen richtet“, lobte die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Angelika Beer, im taz-Interview. Die Strukturkommission plädiert, wie am Wochenende bekannt wurde, für eine Reduktion der Streitkräfte von 330.000 auf 240.000 Soldaten. Nur noch 30 Prozent der jetzigen Wehrpflichtigen sollen Dienst tun.

Die Grünen grinsten aus gutem Grund: Die Kommission kommt ihrem eigenen Konzept, das sie in dieser Woche vorstellen wollen, weit entgegen: Der grüne Vorschlag sieht eine Einsatztruppe von 200.000 SoldatInnen vor – und die vollständige Abschaffung von Wehr- und Zivildienst.

Die 21-köpfige Wehrstrukturkommission plädiert für einen etwas weniger radikalen Umbau der Armee: Vor allem die Frage nach der Wehrpflicht, an der Verteidigungsminister Scharping (SPD) vehement festhält, beantwortet sie nach der Methode Radio Eriwan: Im Prinzip ja, aber . . . Von den jetzt 100.000 Wehrpflichtigen sollen nur noch 30.000 bleiben. Für diese Form der Wehrpflicht, bei der 70.000 junge Männer jährlich übrig bleiben, kreierte die Kommission den Begriff „Auswahlwehrpflicht“.

Was das mit Wehrgerechtigkeit zu tun haben soll, fragte CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz und sah „die Stabilität der Bundeswehr“ in Gefahr. Die Truppe könne mit derart reduziertem Umfang zudem ihre Nato-Verpflichtungen im Krisenfall nicht mehr voll erfüllen. Auch CSU-Generalsekretär Thomas Goppel will die „Identität der Bundeswehr als Verteidigungsarmee bewahren“. Er warf der Kommission die „Abschaffung der Wehrpflicht durch die Hintertür“ vor.

„Mit 30.000 ist die Beibehaltung der Wehrpflicht nicht zu machen“, beschwerte sich auch der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Peter Zumkley. Ansonsten blieb die Regierungspartei zurückhaltend, immerhin ist die 100-seitige Expertise, die erst am 23. Mai veröffentlicht werden sollte, im Auftrag von Minister Scharping entstanden. Der hat nun, wie Ex-Nato-General Gerd Schmückle feststellte, „unendlich Streit“ am Hals. Schmückle kritisierte, dass 140.000 der 240.000 Soldaten für internationale Einsätze ausgebildet werden sollten: „Wir bringen uns da in eine Zwangslage, dass andere nur auf den Knopf drücken müssen, und wir können dann in alle Welt unsere Soldaten schicken.“

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums verwies darauf, dass die Kommission ihre Arbeit noch nicht beendet hat. oes

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