Sturm und Klassik

Das ganze Jahr über Sonnenschein und Popsongs: Die Würzburger Indieband Miles spielt auf der Insel

Es war einmal eine kleine Band aus Würzburg, die zur größten Pophoffnung des Landes erkoren wurde. Tapfer kämpfte die kleine Popband gegen die überzogenen Erwartungen, aber die stiegen und stiegen ins Unermessliche. Also gab die kleine Band eines Tages klein bei und beschloss, gleich richtig auf die Kacke zu hauen.

Der Name unserer kleinen Popband ist Miles, und für ihr drittes, ebenfalls „Miles“ geheißenes Album haben sie sich 16 Streicher von den Münchner Philharmonikern geleistet. Die spielten dann, was die vier sich so ausdachten. Wenn schon, denn schon. Unterdessen nimmt Sänger, Gitarrist, Hauptsongschreiber und Oberbabyface Tobias Kuhn längst Namen wie Beatles, Beach Boys und Phil Spector in den Mund. Und weiß, dass viele der besten Bands ihr drittes Album schlicht nach sich selbst benannt hätten. So wie Miles: „Irgendwie hat das etwas Klassisches.“

Sich selbst so locker in der Historie zu verorten grenzt zwar mindestens an Größenwahn, aber wahrscheinlich braucht man auch ein leicht übersteigertes Selbstbewusstsein, um tatsächlich solchen Pop zu machen, wie ihn Miles machen. Pop, den man endlich wieder in Großbuchstaben schreiben kann, schreiben darf, ja: muss. Kuhn hat sich dann auch nicht gescheut, von einer „historischen Dimension, die mein Songwriting beeinflusst“, zu sprechen. Was natürlich auch heißt, dass sie die Welt nicht neu erfunden haben. Oder vielleicht doch, weil großer Pop das irgendwie ja immer tut.

Was auf ihrem zweiten Album, „The Day I Vanished“, in klassischer Gitarrenrockbesetzung bereits überschwänglich und euphorisch klang, wird nun auf „Miles“ mit hübsch heftigem Studioaufwand in ein glitzerndes, schillerndes Meisterwerk überführt. Das Ergebnis sind Songs, von denen sich einige klaglos in mittlere Beatles-Platten und späte von den Beach Boys einfügen würden, ohne dort unangenehm aufzufallen.

Vom Sturm und Drang aus sind sie in nicht mal zwei Jahren nun also bereits angekommen in der Klassik. Nicht schlecht für vier Endzwanziger aus dem Fränkischen. Es gibt nur ein Problem: Die Welt hat das trotz eines geradezu obszön positiven Medienechos noch nicht mitbekommen. Die Plattenfirma erwartet hohe Verkaufszahlen, und spätestens mit dieser Platte werden Erwartungen erfüllt werden müssen. Sonst gilt das Modell Miles als gescheitert, funktioniert englischsprachiger Pop mit internationalen Koordinaten hierzulande eben nicht.

Doch bis dahin ist mindestens noch ein Sommer Zeit. Manche Musik ist wie ein Tagebuch und erinnert an den Sommer neunzehnhundertwasweißich. Andere Musik macht den Sommer. Miles machen andere Musik, Miles machen den Sommer, wenn es draußen stürmt und schneit. Genau dafür, dass die böse Welt wenigstens für drei Minuten schöner wird, braucht man große Popsongs. Miles machen Pop.

THOMAS WINKLER

Heute ab 21 Uhr, Insel, Alt-Treptow 6, Treptow