„In jedem Fall irgendwie komisch“

Dem sportbegeisterten Zuschauer werden seit kurzem Spielverzögerungen beim Fernsehfußball mit Werbespots versüßt. Der altgediente „ran“-Reporter Werner Hansch war der erste, dem die Spots auf Sat.1 in seine Kommentare platzten . . .

„Ja, da hat mir doch tatsächlich einer einen eingeschüttet . . . äh, mittendrin, zwischendurch, aber keine Angst, das ist ja nicht wirklich – dat is ja nur im Fernsehen“, fabulierte der „ran“-Reporter Werner Hansch neulich mitten im Spiel Borussia Dortmund gegen Bayern München. – Wie kam’s? Der „ran“-Sender Sat.1 hatte in einer Auswechselpause in der 66. Spielminute urplötzlich und erstmalig im deutschen Fernsehfußball einen „Bitburger“-Werbespot eingeblendet. Möglich macht dies die Novellierung des Rundfunkstaatsvertrages (siehe Kasten). Über die Zukunft der Fußballübertragung sprach die taz mit dem verblüfften Kommentator.

taz: Herr Hansch, als der „Bitburger“-Spot eingeblendet wurde, wirkten Sie überrascht.

Werner Hansch: Das ist so nur bedingt richtig. Ich wusste, dass geplant war, die Spots an zwei Stellen für 10 Sekunden in die Kommentierung zu platzieren. Um welche Spots es sich handeln und an welcher Stelle sie eingesetzt werden würden, wusste ich nicht. Mir war nur bekannt, dass man auf der unteren Hälfte des Bildschirms noch den weiteren Spielfortgang beobachten könne.

„Untere Bildschirmhälfte“ kommt aber nicht ganz hin: War das Bild vom weiteren Spielverlauf nicht viel zu klein?

Völlig richtig. Das war auch der Anlass, warum ich vielleicht etwas erschrocken wirkte.

Wie finden Sie denn so was?

Sie werden auf der ganzen Welt keinen Kommentator finden, der, wenn er seine Aufgabe noch halbwegs journalistisch begreift, über eine solche Nummer – wie soll ich sagen – glücklich ist. Natürlich ist das irgendwo störend, aber ich habe genügend Korpsgeist, das mitzutragen. Denn ich weiß auch: Der Sender lebt von Werbeeinnahmen, und von Werbeeinnahmen wird mein Gehalt bezahlt. Da wäre es ja heuchlerisch zu sagen: Was ihr da macht, macht mich tot.

Würden Sie sagen, es gibt irgendwo eine Grenze? Ist Ihnen zum Beispiel egal, was für Werbung läuft? Im konkreten Fall war ja die Nationalelf im Bild.

Ich würde fast sagen: Es ist egal. Für jemanden, der so fixiert ist auf das, was da abläuft, ist es in jedem Fall irgendwie komisch. Vielleicht ist es auch nur gewöhnungsbedürftig, vielleicht werden wir in fünf oder zehn Jahren ganz andere Dinge erleben.

Wie stehen Sie zu Forderungen, durch Einführung zum Beispiel einer weiteren Spielpause mehr Raum für Werbung zu schaffen?

Das eine ganz klare Sache: Von mir aus absolutes Nein zu weiter gehenden Manipulationen am Spielablauf. Davor kann ich nur gründlichst warnen – aber Sie sehen ja, dass sich unsere Diskussion um einem Komplex dreht . . .

. . . um den Versuch der Sender, ihre Investitionen in die Fußballrechte wenigstens zum Teil wieder hereinzubekommen?

Wenn von Seiten des Fußballs immer wahnsinnigere Summen gefordert werden, die sowieso kaum noch zu refinanzieren sind, heizt das natürlich auf der Fernsehseite Überlegungen an, weitere freie Plätze zu belegen. Das schaukelt sich gegenseitig hoch, und der Wahnsinn liegt eben in dieser unglaublichen kommerziellen Entwicklung.

Ein Format wie „live ran“ wird es ab der kommenden Saison nicht nicht mehr geben. Fehlt dann nicht etwas?

Ich bin seit langem absolut überzeugt, dass der Fußball als Ware viel zu häufig auf dem Bildschirm auftaucht.

Das heißt, auch Fußball kann kaputtgesendet werden?

Ja, es gibt eine eindeutige Grenze. Das haben ja schon Leute wie Uli Hoeneß erkannt, dem man nun wirklich nicht nachsagen kann, dass er sich der Kommerzialisierung des Fußballs mannhaft in den Weg stellt. Da wird ja inzwischen jedes Popelspiel übertragen – denken Sie nur an die Sommermonate. Jeder übeträgt da jede Begegnung: Freundschaftsturnier – und was weiß ich . . . Das ist einfach katastrophal.

Aber verlieren die Fans nicht, wenn es die Bundesliga live und in voller Länge nur noch gegen Bezahlung im Pay-TV gibt?

Ich bin ganz klar für eine Verknappung der Ware Fußball im Free-TV. Wer so weit durchgeknallt ist im Sinne des Fußballs, dass er alles sehen muss, der soll’s in Gottes Namen auch bezahlen.

Gilt das auch für Länderspiele?

Nein, die sollten eher im Free-TV bleiben. Da haben wir Kommentatoren dann auch genug zu tun. Und es ist doch schön, wenn Highlights wirklich Highlights sind – oft sind es ja auch keine, wie wir bei dem aufgeblähten Apparat der Champions League gesehen haben. Auch das war gnadenlos. Wer will das sehen?

Für Sat.1 bliebe dann aber live gar nichts mehr übrig . . .

Es kann ja durchaus sein, dass Sat.1 sich auf dem freien Markt bedient, etwa beim Uefa-Cup. Ich hoffe, dass das so kommt. Sonst würde unsere Live-Kompetenz sozusagen abschrumpfen. Aber in Bezug auf die Bundesliga finde ich das so okay. Sonst geht die Ware Fußball den Weg, den der Tennissport schon gegangen ist.

INTERVIEW: STEFFEN GRIMBERG