Grüne Wunschrechte-Charta

Im Juni soll der erste Entwurf einer Europäischen Grundrechte-Charta vorliegen. Die Grünen befürchten, dass sie zu unverbindlich wird – und fordern ein einklagbares Recht auf saubere Umwelt und die Verankerung des Datenschutzes

von HEIDE OESTREICH

Langsam nimmt sie Gestalt an, die Europäische Grundrechte-Charta, über die seit Ende letzten Jahres ein so genannter „Konvent“ brütet. Bevor das 62-köpfige Gremium im Juni einen ersten Vorschlag präsentiert, häufen sich die Anhörungen, auf denen Parteien, NGOs und Institutionen ihre Wünsche anmelden. Gestern stellten die Grünen ihre „Essentials für eine europäische Grundrechtecharta“ vor.

Die Idee einer solchen Charta, die die Grundrechte der EU-Bürger garantieren soll, hatten vor allem die Grünen lanciert: „Die Menschen müssen wissen, warum sie Europa wollen sollen,“ begründete Claudia Roth, menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen, die Initiative, die von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft auf den Weg gebracht wurde. Analog zu den Grundrechten im Grundgesetz soll die europäische Charta EU-Bürger stärken, wenn sie mit EU-Institutionen oder dem EU-Recht zu tun haben. „Europa regelt alles“, die einzelnen Bürger sind machtlos – solche Befürchtungen sollten zumindest verkleinert werden.

Während „Europa“ in Form des Ministerrates der EU vor allem eine möglichst unverbindliche Charta anstrebt, die einen hohen Symbolgehalt aber wenig konkrete Rechte – und schon gar kein einklagbaren – wünscht, streben die Grünen in der Grundrechtecharta sogar eine Modernisierung der Grundrechte an: So soll das Recht auf eine saubere Umwelt ebenso verankert werden wie der Datenschutz. Der sich entwickelnde gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik wollen die Grünen ein europäisches Recht auf Kriegsdienstverweigerung zur Seite stellen.

Auch die Teilhaberechte will die Ökopartei erweitern: So sollen die Anti-Diskriminierungs-Bestimmungen aus dem Amsterdamer Vertrag übernommen und ebenfalls zukunftssicher gemacht werden, indem „Diskriminierung aufgrund genetischer Dispositionen“ untersagt wird – für den Fall, dass beispielsweise Versicherungskonzerne obligatorische Gentests vor dem Abschluss einer Lebensversicherung fordern. Besonders heikel wird die Frage, inwieweit die Genfer Flüchtlingskonvention Eingang in den Katalog finden. Sollte eine enge Anlehnung an die Genfer Konvention gelingen, dann könnten einzelne Staaten wie Deutschland sie nicht mehr ohne weiteres umgehen.

Natürlich sollen diese Rechte nach dem Wunsch der Grüneneinklagbar sein, nicht nur von Individuen, sondern möglichst auch von Verbänden. Das strebt auch der Konvent an, wie Johannes Voggenhuber, österreichischer EU-Abgeordneter und Grünen-Berichterstatter aus dem Konvent, erklärte. Doch machte er ebenfalls deutlich, mit welchen Widerständen zu rechnen ist: So befürchten die meisten anderen EU-Länder, allen voran Großbritannien und Skandinavien, dass die EU sich immer mehr zum Superstaat entwickelt, in dem man nicht mal seine eigenen Grundrechte definieren darf. Dem könnte durch entsprechende Klauseln zwar aus dem Weg gegangen werden, dennoch hält sich die Begeisterung dort in Grenzen. Im Übrigen versuchen auch die EU-Grundrechte-Fans in Deutschland, an einigen Stellen Rechtsprotektionismus zu betreiben: Das heilige deutsche Embryonenschutzgesetz soll natürlich auf keinen Fall mit dem englischen freizügigeren harmonisiert werden: Jeweils der höchste Standard müsse gültig bleiben, fordern die Grünen.