„Auf Dauer brechen alle Dämme“

Winfried Fuest, Steuer- und Finanzexperte des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, über die Möglichkeit einer konzertierten Hilfsaktion für den Euro und die importierte Inflationsgefahr

taz: Die Währungshändler wissen nicht, ob und wie weit der Euro noch fallen soll. Wenn alle nervös sind – wäre da nicht eine klare Empfehlung der EU-Finanzminster an die Europäische Zentralbank (EZB) für eine Stärkung des Euro das Richtige gewesen?

Winfried Fuest: Eine solche Empfehlung bewirkt eher das Gegenteil. Es schürt das Misstrauen der Finanzmärkte, weil nach außen dann der Eindruck entsteht, die Europäische Zentralbank wäre nicht wirklich eigenständig. Die Finanzminister haben auch weder die Legitimation noch die Kompetenz, die europäische Geldpolitik in die Hand zu nehmen. Das kann nur die Zentralbank.

Aber eine Intervention gegen den starken Dollar würde doch helfen?

Allenfalls kurzfristig, um nach außen hin Entschlossenheit zu demonstrieren. Und auch das nur, weil selbst die großen Währungshändler derzeit verunsichert sind. Auf die Dauer halten die Dämme nicht. Das zeigen auch die Erfahrungen aus der Zeit, als der Dollar schwach war. Interventionen zeigten wenig Wirkung angesichts der riesigen Kapitalströme, die im internationalen Währungsgeschehen bewegt werden.

Auch nicht, wenn japanische und US-Notenbank mit der EZB in einer abgestimmten Aktion eingreifen würden?

Das wäre natürlich wirkungsvoller. Eine konzertierte Aktion ist aber nicht realistisch. Alan Greenspan, der Chef der Federal Reserve, beobachtet weniger die Wechselkurse als vielmehr die Binneninflation in den USA vor allem anderen. Ein starker Dollar dämpft dort aus seiner Sicht die Inflation. Für Greenspan haben höchstens die Europäer ein Dollar-Problem, aber weniger die Amerikaner.

Die europäischen Politiker können also effektiv gar nichts tun?

Doch. Sie können den Euro langfristig über die Haushaltspolitik stärken: die Defizite zurückfahren zum Beispiel. Denn die Konjunktur und die Zukunftsaussichten der Wirtschaft in der Eurozone sind gut. Von den Fundamentaldaten her gesehen, haben wir derzeit eigentlich fast eine Idealkonstellation. Aber für die Währungskurse sind oft kurzfristigere Entwicklungen entscheidend.

Angesichts der rosigen Aussichten in Europa ist das Euro-Siechtum also ein unerklärliches Phänomen?

Nicht unbedingt. In der Mitte der Achtzigerjahre lag der US-Dollar deutlich über 3 Mark. Nur hat sich damals die Öffentlichkeit nicht so sehr für die Wechselkurse interessiert. Heute starren alle auf den Dollarkurs und meinen, damit sei im Grunde der Euro gescheitert. Das glaube ich nach wie vor nicht. Der schwache Euro ist ein politisches Thema – ökonomisch bleibt es ein Wechselkurs, nicht mehr und nicht weniger.

Wie könnte die EZB hier für eine klare Linie sorgen?

Die Europäische Zentralbank steht im Moment etwas unglücklich da. Sie hätte sich früher mit dem Instrumentarium der Geldpolitik für den Fall einer solchen Währungsschwäche beschäftigen müssen. Es reicht nicht, allenfalls seine Besorgnis zu artikulieren. Das ist eher eine Einladung für die Spekulanten als ein Gegengewicht zur jetzigen Währungsbewegung.

Werden wir deshalb eine Teuerung durch den starken Dollar bekommen?

Die Besorgnis über die importierte Inflation teile ich nicht. Die großen Wirtschaftsinstitute gehen wie auch mein Institut, das IW, in ihren Prognosen von einer sinkenden Inflationsrate aus. Und die Wirtschaft hat doch wenig von einem starken Euro – das zeigen die Beispiele der Länder mit einer stark überbewerteten Währung wie etwa Japan oder Großbritannien.Interview: REINER METZGER