Ein solides Dollar-Polster

Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte theoretisch auch ohne grünes Licht der Politik jederzeit zugunsten des Euro intervenieren

BERLIN taz ■ Spätestens seit der Kurs des Euro in der vergangenen Woche erstmals unter 0,90 US-Dollar gefallen ist, hört man aus Bankenkreisen und von einigen Politikern, die Europäische Zentralbank (EZB) müsse „am Devisenmarkt intervenieren“. So könne sie den Kurs des Euro „stützen“.

Hinter dieser Formulierung verbirgt sich die Forderung, die Europäische Zentralbank solle einen Teil ihrer Dollarreserven verkaufen. Damit würde das Angebot an Dollar, das für die Händler verfügbar ist, steigen. Die Folge: Der Dollar wird billiger und der Euro – im Verhältnis zum Dollar – teurer. Solche Stützungskäufe – oder bei zu starken Währungen auch Verkäufe – kommen bei festen Wechselkursen häufiger vor, weil dann die Zentralbanken eingreifen müssen, sobald der festgeschriebene Kurs verlassen wird. In Systemen flexibler Wechselkurse, wie sie zwischen den großen Wirtschaftsräumen herrschen, macht derzeit nur Japan gelegentlich von dieser Möglicheit der Währungssteuerung Gebrauch.

Die EZB hat drei Möglichkeiten, in den Kursverfall des Euro einzugreifen: Sie kann im Alleingang Dollar verkaufen, sie kann das zusammen mit der amerikanischen Notenbank als „konzertierten Verkauf“ tun, oder sie kann durch entsprechende Statements versuchen, die Märkte zu beruhigen. Vergangenen Freitag hat EZB-Chef Wim Duisenberg bereits in einer schriftlich verbreiteten Erklärung die Anleger beschwichtigt, der Euro werde sich stabilisieren. Nur genützt hat es nicht viel.

Die EZB hat derzeit Währungsreserven von umgerechnet rund 45 Milliarden Euro auf der hohen Kante. Das ist der 1999 festgelegte Höchstbetrag von 50 Milliarden Euro abzüglich der Anteile von Großbritannien, Schweden, Dänemark und Griechenland, die noch nicht der Euro-Zone beigetreten sind.

Zwar verfügen Japan und die USA über ein viel größeres Polster unterschiedlicher Währungen: Japans Währungslenker über umgerechnet 269 Milliarden Dollar, die US-amerikanische Notenbank über 111 Milliarden. Doch könnte der Euro-Raum locker mithalten, wenn man die Reserven der nationalen Notenbanken hinzurechnet: Insgesamt 344 Milliarden Dollar schlummern in den Tresoren der Euro-Zentralbanken.

Die Europäische Zentralbank könnte – theoretisch – jederzeit am Devisenmarkt zugunsten des Euro intervenieren, ohne dass sie dafür auf grünes Licht von der Politik warten müsste. Benötigt sie dazu Devisen, die über die vorhandenen Polster hinausgehen, kann sie nach Artikel 123 des Maastrichter Vertrags von den nationalen Zentralbanken weitere Reserven anfordern.

Sicherheitshalber haben die EU-Finanzminister gestern beschlossen, die Währungsreserven der EZB aufzustocken. In der Praxis ist es jedoch wahrscheinlicher, dass die EZB nur mit dem Einverständnis der EU-Finanzminister intervenieren wird. KK