Alles eine Frage der Psychologie

Nach Meinung der Währungsexperten großer Banken ist der richtige Zeitpunkt für eine Intervention zugunsten des Euro gekommen

von HERMANNUS PFEIFFER

Im Euro-Theater grollt es bedrohlich. In Brüssel, Basel und Frankfurt finden in dieser Woche wichtige Sitzungen von Regierungen und Notenbanken statt. Gestern trafen sich die Finanzminister der elf Euro-Staaten in Brüssel. Dabei war auch der Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Christian Noyer. Allgemein war von dem Treffen eine blumige Aufforderung an die EZB erwartet worden, zugunsten des schwächelnden Euro am Devisenmarkt zu intervenieren.

Doch dazu kam es nicht. Immerhin beschlossen die EU-Finanzminister im Anschluss an das Treffen der Kollegen der Euro-Zone eine Verdoppelung der Währungsreserven der EZB auf rund 90 Milliarden Euro. Der Beschluss wurde ohne Diskussion getroffen, nachdem die EZB diese Forderung im vergangenen Jahr gestellt und das Europäische Parlament bereits im März seine Zustimmung zu dieser Entscheidung gegeben hatte.

Die Euro-Minister sind es offensichtlich leid, der Talfahrt des Euro tatenlos zuzuschauen. Immerhin verlor die neue Währung seit ihrer Einführung Anfang 1999 rund ein Viertel ihres Wertes gegenüber dem US-Dollar. Und auch gegenüber dem britischen Pfund verlor die Elfer-Währung rund 20 Prozent. Trotz anziehender Konjunktur scheint keine Trendwende in Sicht. Und auch drei Leitzinserhöhungen der EZB brachten nicht das erhoffte Ende der Talfahrt. Nun soll möglicherweise bald eine Intervention helfen. Dafür stehen der EZB umgerechnet rund 45 Milliarden Euro zur Verfügung.

Im Vorfeld des Finanzministertreffens machten sich Großbanken für eine solche Intervention stark. Nach Meinung der Spezialisten der beiden größten deutschen Banken ist der richtige Zeitpunkt für eine Intervention gekommen. „Wenn der Markt wie derzeit nur noch von Psychologie getrieben werde, wäre ein Signal von der Notenbank angebracht“, meinte der Chefvolkswirt für Europa bei der Deutschen Bank, Stefan Schneider, gegenüber der Financial Times.

Aber ist wirklich alles „nur Psychologie“? Anhänger dieser These verweisen auf die guten Konjunkturzahlen in Europa. Ein solider Wirtschaftsboom scheint sich anzubahnen, so die Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten. Zudem ist die reale Kaufkraft des Euro ungleich höher als sein jetziger Devisenkurs von unter 0,90 Dollar. Mancher Wissenschaftler sieht den angemessenen fundamentalen Wert bei 1,10 Dollar und mehr. Der Startkurs des Euro betrug 1,16 Dollar.

Trotzdem steht hinter dem Fall des Euro nicht allein Psychologie und Spekulation. Der Dollar boomt auch, weil die US-Konjunktur über acht Jahre ein beachtliches Wachstum hingelegt hat. Weiterhin ziehen die US-Finanzmärkte das Kapital weltweit an. Obendrein werfen Geldanlagen in Dollar einfach mehr ab. So bringen Drei-Monats-Gelder in Euro gerade mal einen Zins von 6,1 Prozent ein, Dollar drei Monate angelegt jedoch fast 6,6 Prozent. Noch größer ist die Zinskluft am Kapitalmarkt. Warum sollten da Anleger in Euro investieren?

Um den Euro für das globale Finanzkapital attraktiver zu machen, müsste die EZB ihre Leitzinsen deutlich anheben. Nach drei Erhöhungen ist dieses Instrument zunächst ausgereizt. Weitere Zinserhöhungen könnten der Konjunktur den Garaus machen. Es bleibt eine Intervention am Devisenmarkt. Trotzdem konnten sich die Finanzminister nicht zu einer entsprechenden Empfehlung aufraffen. Und das dürfte die bestmögliche Entscheidung gewesen sein. Die Europäische Zentralbank pocht auf ihrer Unabhängigkeit. Starke politische Töne der Regierungen brächten die EZB in ein Dilemma: zwischen möglichen sinnvollen Maßnahmen und der Wahrung ihrer Autonomie gegenüber politischen Einflussversuchen.

Ohnehin ist die EZB genau genommen nicht zuständig. Der Wechselkurs des Euro – diese Erkenntnis ist in der hektischen Diskussion der vergangenen Wochen verloren gegangen – gehört nicht zu den Zielvorgaben der Zentralbank. Ihr Ziel sind einzig stabile Preise. Ein schwacher Euro wirkt nur mittelbar auf die Preise. Da aber die Preise für alle Importwaren durch den Euroverfall steigen, steigt hierzulande auch mittelbar das Preisbarometer. Anderseits profitiert der Export aus Deutschland, Frankreich oder den Niederlanden ganz massiv vom billigen Euro. So verpassen die USA mit ihrem starken Dollar Euroland einen Konjunktur-Pusch. „Der Euro hat kein Problem“, meint deswegen auch der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel. „Aber er steckt in einer Vertrauenskrise, die mit Ökonomie eigentlich nichts zu tun hat.“ Aus der Politik fehlen jedoch in Europa optimistische Initiativen.

Vergangene Deviseninterventionen waren keineswegs sonderlich erfolgreich. Sie verhinderten weder den Zusammenbruch des Europäischen Wechselkurssystems 1992 noch den rasanten Kursverfall des US-Dollar in den Neunzigern. Gegen den Markttrend helfen Interventionen erfahrungsgemäß nur kurzfristig. Inzwischen sind die Schwankungen der Devisenkurse größer denn je.

Dagegen hilft keine isolierte Intervention der EZB. Einvernehmliches Handeln ist gefragt, wie nicht nur Rudolf Hickel fordert. Gemeinsam müssten die großen Notenbanken durch Interventionen eingreifen, um den Währungsmarkt zu stabilisieren. Auch die Experten der HypoVereinsbank halten Interventionen im Alleingang oder nur zugunsten des Euro für sinnlos und politisch nicht durchsetzbar. Der globale Währungsmarkt braucht Zentralbanken, die international denken und gemeinsam handeln. Zumindest psychologisch könnte dies helfen.