american pie
: Im NHL-Halbfinale will Colorado diesmal Dallas stolpern lassen

RACHEDURST IM BLICK

Oh and while the king was looking down

Kein Zweifel: Gäbe es nicht die Teilung zwischen Western und Eastern Conference in der Eishockeyliga NHL, das Finale um den Stanley Cup würden Colorado Avalanche und die Dallas Stars bestreiten. Wie schon im letzten Jahr darf die Serie der beiden Teams um den Titel im Westen, die Ende der Woche beginnt, getrost als vorweg genommenes Endspiel betrachtet werden. Beide Mannschaften spielen im Moment ihr bestes Eishockey der gesamten Saison und haben in den ersten beiden Playoff-Runden nur zwei Mal verloren, in eigener Halle überhaupt noch nicht. Das schwierigere Progamm hatte dabei eindeutig das Team aus Denver, das es mit den Phoenix Coyotes und den starken Detroit Red Wings zu tun bekam, während die Texaner die schwächeren Mannschaften aus Edmonton und San José mit jeweils 4:1 in den Urlaub schickten.

Favorit beim Aufeinandertreffen der Favoriten ist daher keineswegs der Titelverteidiger aus Dallas. „Wir haben ein bisschen gekichert“, verriet Coach Ken Hitchcock, „denn es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass unser Team den Underdog abgibt.“ Hinzu kommt der Stachel aus dem Vorjahr. Mit 3:2 hatte Colorado in der Halbfinalserie bereits geführt, bevor die Stars mit zwei Siegen doch noch die Endspiele gegen die Buffalo Sabres erreichten und den Cup mit 4:2 gewannen. „Sie haben diesen Rachedurst in den Augen“, hat Stars-Stürmer Guy Carbonneaux schon vor dem ersten Match beobachtet.

Das Team aus Colorado erntet jetzt die Früchte eines Neuaufbaus nach dem Stanley-Cup-Gewinn von 1996, der damals in Denver heftig kritisiert worden war. Bis zur Verpflichtung des Bostoner Abwehrveteranen Ray Bourque im März war die Avalanche das zweitjüngste Team der ganzen Liga, und hoch talentierte Nachwuchskräfte wie der 19-jährige Martin Skoula oder Alex Tanguay kamen auf beträchtliche Spielzeiten. Tanguay wurde mit einem Draft Pick geholt, den Colorado 1996 für Stürmer Mike Ricci eintauschte – ein besonders umstrittener Deal, der sich nun auszahlt.

Beide Teams verfügen über zwei brandgefährliche Sturmreihen, die größere Tiefe in den zwei übrigen Reihen spricht eher für Colorado. Mit Brett Hull, Mike Modano und Joe Nieuwendyk besitzen die Stars dafür drei der versiertesten Torjäger der Liga, denen Leute wie Peter Forsberg, Adam Deadmarsh oder Chris Drury bei Colorado allerdings kaum nachstehen. In der Abwehr wird viel davon abhängen, ob Ray Bourque wieder fit ist, mit dem die Avalanche 20 von 25 Spielen gewann. In den letzen beiden Partien musste der 39-jährige Kanadier jedoch mit einer Knieblessur aussetzen. „Ich war zweimal Cheerleader und hoffe, dass damit jetzt endgültig Schluss ist“, zeigt sich Bourque zuversichtlich.

Eine wichtige Rolle spielen nicht zuletzt die Torhüter. Sowohl Ed Belfour bei Dallas als auch Patrick Roy bei Colorado befinden sich in glänzender Form. Roy, der Keeper mit den meisten Playoff-Siegen in der NHL-Geschichte, hofft für die kommende Serie auf eine Art Jens-Lehmann-Effekt. Vorwitzig hatte Belfour nämlich während der Saison geprahlt, er sei „genauso gut, wenn nicht besser“ als Roy. „Ich habe diese Bemerkung nicht gemacht“, freut sich dieser jetzt diebisch. „Der Druck liegt auf ihm.“ MATTI LIESKE