informatik im schröderland I
: Wie man einen Informatikstudiengang abschafft

VIRTUELLE STUDIENGÄNGE

Hannover 1996: Die niedersächsische Wissenschaftsministerin Helga Schuchardt muss sparen. Aber wo? Man rechnet nach – und gibt den Studiengang Informatik zum Abschuss frei. Das Angebot an Studienplätzen sei nicht ausgelastet. Von vier Fakultäten im Land muss eine bluten. Die Wahl der Landesregierung unter Gerhard Schröder fällt auf Hildesheim. Dort fehle, anders als in Clausthal, Braunschweig oder Oldenburg, das „technische und verwandte wissenschaftliche Umfeld“.

Schröders Ministerin versteht, „wenn die Universität Hildesheim und die Region [auf die Schließung, d. Red.] sensibel reagieren“. Vom Beschluss rückt sie nicht ab: „Wir können es uns in Niedersachsen nicht leisten, ein Überangebot an Informatikstudiengängen vorzuhalten.“

Unberücksichtigt bleibt unter anderem: dass der Frauenanteil unter den InformatikerInnen in Hildesheim mit 20 Prozent doppelt so hoch ist wie an anderen Unis. Per Verordnung wird die Schließung verfügt.

Hildesheim 1996: Die Universität versucht sich zu wehren und erklärt, sie sei „in Forschung und Lehre voll konkurrenzfähig“. Ein Gericht soll die Verordnung der Ministerin Schuchardt prüfen. Inzwischen werden die Professoren an andere Universitäten versetzt, und die befristeten Stellen nicht mehr verlängert. Die Diplomanden betreut man in Hildesheim noch zu Ende, die Rest-Studis müssen an andere Unis ausweichen oder sich einen Job suchen.

Lüneburg 1999: Das Oberverwaltungsgericht erklärt den Erlass für nicht zulässig. Die Argumente der Universität seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Aber aus dem Urteil ergibt sich nur ein Rechtsanspruch auf Wiederherstellung der Fakultät, nicht jedoch des ursprünglichen Zustandes. Die Folge: Wer mag, kann sich in Hildesheim für Informatik einschreiben. Nur wird er nicht unterrichtet: Die Dozenten sind weg. Informatik virtuell.

Hannover 2000: Voraussichtlich noch in diesem Jahr wird der Studiengang Informatik an der Universität Hildesheim endgültig geschlossen, weil kein Lehrpersonal vorhanden ist. YAS