Die FDP tritt zum Großreinemachen an

Westerwelle ist so frei: Als Konsequenz aus den Parteiaffären fordert die FDP-Spitze einen Umbau des politischen Systems. Durch mehr direkte Demokratie und strengere Gewaltenteilung soll die Macht der Parteien begrenzt werden. Die eigene muss noch zustimmen

BERLIN taz ■ Als Konsequenz aus den Parteiaffären der letzten Monate fordert das FDP-Präsidium grundlegende strukturelle Reformen, um die Macht der Parteien in Staat und Gesellschaft zu begrenzen.

Generalsekretär Guido Westerwelle präsentierte gestern einen entsprechenden Leitantrag für den Bundesparteitag Mitte Juni, den der Vorstand in der kommenden Woche beschließen soll. Die Parteiaffären werden darin als „Anzeichen für einen Korrekturbedarf im demokratischen System“ gewertet. Wörtlich heißt es in dem Antrag: „Das Ansehen der demokratischen Institutionen und der Politik insgesamt ist in großer Gefahr.“

Als „überfällig“ bezeichnete Westerwelle eine „Generalinventur“ des politischen Systems. Wenn lediglich Personen ausgewechselt und keine weiteren Konsequenzen aus den Affären gezogen würden, sei es bis zum nächsten Skandal nur „eine Frage der Zeit“.

Die „Distanz zwischen Bürgern und Politik“ werde sich dann weiter vergrößern. „Wir bejahen den Parteienstaat“, betonte der FDP-Generalsekretär.

Mittlerweile sei aber zu beobachten, dass die Parteien statt einer dienenden eine beherrschende Rolle in Staat und Gesellschaft einnähmen. „Mit dem Aufgabenzuwachs des Staates ging ein Machtzuwachs der Parteien einher, der weit über den im Grundgesetz vorgesehenen Rahmen hinausweist“, heißt es dazu in dem FDP-Antrag.

Nach dem Willen ihres Präsidiums soll die FDP daher erstmals für die Stärkung der direkten Demokratie eintreten. Die Verfasser des Leitantrages fordern eine Direktwahl des Bundespräsidenten: „Eine Amtszeit von sieben Jahren ohne Möglichkeit der Wiederwahl würde zugleich das Amt soweit als möglich von parteitaktischen Erwägungen freihalten.“

Zudem sprechen sie sich für eine „Ausdehnung von Bürgerentscheiden, Bürgerbegehren und Bürgerbefragungen auch auf Landes-und Bundesebene“ aus. Westerwelle räumte ein, dass dieser Passus in der Partei – und möglicherweise auch im Vorstand – „hoch umstritten“ sei. Er erwarte auf dem Parteitag „heftige Diskussionen“ über das Thema.

In dem Papier kritisiert das Präsidium außerdem, dass die Gewaltenteilung „an Trennschärfe eingebüßt“ habe. Das gelte auch für die Beziehungen zwischen Parteien und Medien: „Deshalb sind Beteiligungen von Parteien an Fernseh- sowie Hörfunksendern und Zeitungen abzulehnen. Parteien dürfen den Wettbewerb nicht verzerren, indem sie sich einen kommerziellen Medienkonzern aufbauen.“

Um allzu große Machtfülle einzelner Personen zu verhindern, fordert der FDP-Antrag die Begrenzung der Amtszeiten von Regierungschefs in Bund und Ländern auf zwei Legislaturperioden.

Vorsätzliche Verstöße gegen das Parteiengesetz sollten künftig strafbar sein. Darüber hinaus will das Präsidium die Altersversorgung von Abgeordneten überprüfen: „Abgeordnete sollen sich in Zukunft wie andere Bürger auch mit eigenen Beiträgen für ihr Alter versichern.“

Einen derart weitreichenden Antrag hätte das Präsidium zur Zeit der Regierungsverantwortung der FDP wohl kaum beschlossen, räumte Westerwelle ein. „Opposition macht frei und klug.“ BETTINA GAUS