„Politischer Prozess“

Verfahren gegen Politbüro-Mitglieder vertagt. Verteidigung pocht auf Immunität und will Einstellung

BERLIN taz ■ Nach 40 Minuten war der erste Prozesstag gegen drei weitere Mitglieder des SED-Politbüros vor dem Berliner Landgericht auch schon fast vorüber. Die Verteidigung beantragte, das Verfahren gegen die einstigen SED-Bezirkschefs von Halle und Karl-Marx-Stadt (Chemnitz), Hans-Joachim Böhme und Siegfried Lorenz, sowie Herbert Häber, einzustellen.

Die Angeklagten müssen sich wegen Totschlags verantworten. Sie hätten nichts für eine Humanisierung des Grenzregimes unternommen, sondern den Schusswaffengebrauch billigend in Kauf genommen, so die Staatsanwaltschaft. Von einem „politischen Prozess“ sprach die Verteidigung. Die Immunität eines Amtsträgers gelte auf unbefristete Zeit. Das Verfahren verstoße gegen das Rückwirkungsgebot: Laut Grundgesetz könne eine Tat nur verurteilt werden, „wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde“. Kein Staat dürfe über einen anderen zu Gericht sitzen. Die Staatsanwaltschaft habe den Prozess verschleppt.

Dem Antrag von Lorenz schloss sich nur Böhme an. Häber sieht sich als Opfer und hofft auf ein rasches Ende des Verfahrens. Das Gericht vertagte sich auf kommenden Dienstag. NM

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