„Eine große glückliche Familie“

■ Die Handsome Family lassen ihren autobiographischen Psychosumpf zugunsten von bitter sweet country hinter sich

Brett Sparks sitzt „in der Falle“, lacht aber, wenn er seine Beziehung zu Chicago so ins Bild setzt. Der Texaner im Exil mag die Stadt nicht, „zu hässlich, zu groß, zu laut“, einerseits. Andererseits „so viele Freunde und Musiker, mit denen ich was machen kann. Ja, wir sind eine große glückliche Familie.“ Sparks, den Heimweh am Studienort New York zur Country-Kollektion seines Vaters zurücktrieb, lacht schon wieder.

Der Musikwissenschaftler ist als Manisch-Depressiver aktenkundig geworden, im Song „My Ghost“ (vom 98er-Album Through The Trees) vertonte er gar die eigene Psychiatrie-Erfahrung. Eine Ausnahme auch deshalb, weil für die Texte sonst Gattin Rennie zuständig ist, die auf eine traumatische Kindheit an den schönen Stränden von Long Island zurückblickt. So sind die Sparks zum gefundenen Fressen avanciert für jene, die sich gern an existenziellen Nöten schön ferner Existenzen laben.

Doch als Handsome Family schaffen sie das Kunststück, das Interesse am autobiographischen Psycho-Sumpf hinter die Musik zurücktreten zu lassen, zumal mit dem aktuellen Album In The Air, das die Tragödie vieler ihrer Figuren ins milchig-lockende Licht der Transzendenz taucht. Ein bisschen sogar den „Sad Milkman“ (Song-titel), der auf dem Dach liebeskrank den begehrten Mond anheult. Neo-Country nennen das dann manche. Oder „bittersweet country-gothic“ (Mojo). Was„“schon ok“ sei, laut Rennie Sparks, „als Startpunkt“, schließlich brauche „das Gehirn Schubladen“. Doch welches Fach auch immer: Eigentlich spielt das Duo alte Musik. Oder besser: Musik, die schon immer da war und wohl immer da sein wird. Dabei ersetzt der Ma-cintosh daheim den teuren Gang ins Studio. „Ich nehme mir meine Zeit im Wohnzimmer“, sagt Brett und lacht mal nicht.

Wenig zu lachen haben die Sparks auch auf ihrer langen Tour. „Ermüdend“ sei das, „physisch harte Arbeit“, so Brett. Doch träume „jeder Musiker davon, von seiner Musik leben zu können“, was der Handsome Family seit Through The Trees gelingt. Da nimmt es Rennie sogar in Kauf, dass „ich nicht gern auf der Bühne bin, wo die Leute zu mir aufgucken können.“ Schöner wäre es doch, sagt sie, „wenn wir einfach irgendwo auf der Veranda zusammensitzen und singen könnten.“

Jörg Feyer

Di, 16. Mai, 21 Uhr, Knust