„Wie ein Stock im Mund“

Die Hamburger Tänzerin Sasa Queliz über Wünsche, Rollenzuschreibungen und ihre erste Choreografie 0, Würfel, 1  ■ Von Marga Wolff

0, Würfel, 1 ist ihr erstes eigenes Stück und schon schien der Tänzerin Sasa Queliz der Tanz allein nicht genug, um auszudrücken, was sie hier erzählen will. So bat sie die Schauspielerin Mira Partecke um Unterstützung, befragte das Theater und die Philosophie bei ihrer Suche nach Identität. Tanz und Schauspiel, Körper und Sprache treten somit in einen Dialog in dieser Jungen-Hunde-Produktion, die am 11. Mai im Rahmen des Nachwuchsfestivals auf Kampnagel Premiere hat.

Fernando Pessoa, Samuel Be-ckett, Albert Camus, Georges Ba-ttaille stiften hier das existenzielle Gedankengut, das die beiden jungen Frauen in alltägliche Situationen und Begegnungen überführen werden. In Geschichten, die jeder kennt, die immer wieder aufs Neue berühren wollen. Die Reibung, die sich dabei zwischen der als gradlinig empfundenen Sprache und den eher zyklischen Tanzbewegungen ergab, war für beide eine neue Erfahrung. „Mir geht es darum“, sagt Queliz, „eine unmittelbare Realität auf der Bühne herzustellen. Der Tanz, der Körper kann einmal eine Reflektion auf das Gesprochene sein oder auch eine Gegenposition beziehen.“

Der Widerspruch zwischen Ideal und Realität steht auf dem Prüfstand. Zwischen den Wünschen des Individuums und den wechselnden Rollenzuschreibungen in der gesellschaftlichen Realität. Queliz beschreibt dieses Wechselspiel als einen sensiblen Balanceakt, den sie als Motiv in der choreografischen Entwicklung aufgreift. Ein Prozess, der sich stets in Schleifen und Wiederholungen organisiert. Und Partecke, eher geneigt, an eine zielgerichtete Orientierung zu glauben, gibt zu, dass es ihr anfangs schwer gefallen sei zu akzeptieren, wie häufig sich der Mensch doch im Kreis dreht.

Auch die Texte seien ihr nicht leicht von der Zunge gegangen. „Manche Texte hingen mir wie ein Stock quer im Mund. Durch Bewegung habe ich dann erfahren, meine Haltung aufzubrechen, so dass ich sie sprechen konnte“, erzählt die 29-Jährige, die mit einem zweijährigen Engagement am Berliner Ensemble und in Arbeiten unter der Regie von Leander Hausmann am Schauspielhaus Bochum bislang eher konventionelle Schauspielerfahrungen gesammelt hat. Doch Sasa Queliz geht es um die Abstraktion in der Darstellung auf der Suche nach Identität entlang unterschiedlicher philosophischer Standpunkte.

Fasziniert konfrontiert sie dabei die Gegensätze. Die zentrierte Haltung, die sie bei Camus ausgemacht hat, beispielsweise mit dem Verlangen nach dem Exzess, dem Außer-sich-sein, wie es Bataille beschreibt. Für die 1971 in der Dominikanischen Republik geborene Tänzerin ist dies nicht die erste Begegnung mit dem französischen Schriftsteller. In Caracas/Venezuela arbeitete sie 1994 mit der Compagnie Neodanza des kubanischen Choreografen Alexej Taran, der sich in seinen beklemmend düsteren Endzeitvisionen, die unmittelbar aus den Folterkellern Lateinamerikas zu sprechen schienen, stets von Bataille inspirieren ließ. 1994 war die Gruppe bei der lateinamerikanischen Tanzplattform Movimientos auf Kampnagel zu Gast, gewann einen Preis beim choreografischen Wettbewerb von Bagnolet und wurde im Jahr darauf vom Internationalen Sommertheater Festival produziert.

Seither lebt Sasa Queliz in Hamburg. Die klaustrophobische Welt Tarans, meint sie bezogen auf ihre Choreografie, habe sie jedoch hinter sich gelassen. Deutlicher scheint sie heute von der späteren Arbeit mit der Hamburger Formation Labor GRAS oder mit der in Kopenhagen lebenden Venezolanerin Sara Gebran geprägt. Und sicherlich hat sie auch die spezifische Verknüpfung von Sprache und Tanz des Hamburger Choreografen Jan Pusch beeinflusst, dem Queliz bei seiner Produktion Who knows, Maybe Tennessee assistiert hat.

0, Würfel, 1, für das übrigens Pusch die Musik komponiert hat, ist ein erstes Ausprobieren in der choreografischen Arbeit, für die das Junge Hunde-Festival dem dünn gesäten Choreografennachwuchs in Hamburg immer wieder ein Forum geben möchte. Das Stück ist im Doppelprogramm mit dem Tanzduett Happy Zode von Arco Renz und Sharon Zuckermann aus Brüssel zu sehen.

Do, 11. + Fr, 12. Mai, 19.30 Uhr sowie Sa, 13. Mai, 19 Uhr, k1