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Verlassene Gärten

Die Kunsthalle zeigt die große Paul-Klee-Sammlung der Schweizerin Hanni Bürgi  ■ Von Hajo Schiff

Die Katalognummer 129 der Ausstellung heißt „Tor zum verlassenen Garten“: Das könnte auch als gutes Motto dienen für den Querschnitt durch das Werk Paul Klees, der zur Zeit in der Kunsthalle gas-tiert. Denn hinter selten geöffneten Toren war die Privatsammlung der Berner Familie Bürgi bisher in einem barocken Schlösschen verborgen und die Begegnung mit der zauberischen Bilderwelt von Paul Klee ist ohnehin stets wie die Wanderung in einem verwunschenen Garten.

Die Sammlung Bürgi ist überhaupt die zweitgrößte Sammlung von Klee-Arbeiten. Aufgrund eines Umzugs der Sammlererben wird sie auf der Tournee von Bern über Hamburg nach Edinburgh zum ers-ten Mal im Zusammenhang öffentlich gezeigt – vielleicht auch für lange Zeit zum letzten Mal. Dabei ist es trotz des großen Umfanges eine eher intime Ausstellung. Diesen Eindruck verstärkt neben dem reduzierten Licht auch der meist kleinformatige Charakter der über 150 Arbeiten. Lassen die vielen Reproduktionen Kleesche Bilder aufgrund der starken Vereinfachung geradezu monumental wirken, zeigen sich die Originale eher von der sparsamen Seite.

Paul Klee mag in phantastische Welten entführen, aber er tut das mit größter Reduktion: „Wenn bei meinen Sachen manchmal ein primitiver Eindruck entsteht, so erklärt sich diese ,Primitivität' aus meiner Disziplin, auf wenige Stufen zu reduzieren“, wird der Künstler in der Ausstellung zitiert. Auch liebte Paul Klee die buchhalterische Genauigkeit: Über jedes Bild wurde sorgsam Journal geführt und die Arbeiten auf Papier sind mit kleinen Buchstaben pingelig beschriftet. Das Leichte ist eben schwer zu machen. Und es ist unterschwellig oft gar nicht so fröhlich, wie es auf den ersten Blick erscheint.

So mag es die, die das Kindlich-Traumhafte der Kleeschen Bilderwelt bewundern, eher verwundern, dass Paul Klee gerade den gesellschaftskritischen Zeichner Honoré Daumier als einen seiner wichtigs-ten Vorbilder benannte. Doch immerhin musste der Künstler zwei Weltkriege und die Verfemung nach 1933 erleben. Auch wenn seine Heimatstadt Bern den, der in Deutschland Karriere gemacht hatte, als Asylanten wieder aufnahm, begeistert waren trotz vieler Ausstellungen die Kritiken zu Lebzeiten nicht immer. Doch jetzt baut Stararchitekt Renzo Piano in Bern ein Klee-Museum, das erste ausschließlich einer Person gewidmete Museum in der Schweiz.

Das mag über sechzig Jahre nach dem Tode für einen Star der Moderne ja auch sehr schön sein. Wie viel wichtiger aber für einen Künstler eine lebenslange Sammlerfreundschaft sein kann, zeigt der ausführliche Katalog in zahlreichen Facetten. Das beginnt bei der Würdigung der Person der Bauunternehmersgattin Hanni Bürgi-Bigler, die Klee durch den Gesangsunterricht bei dessen Vater kennen lernte und die bereits 1915 gerne 100 Franken für eine Zeichnung des noch relativ unbekannten Künstlers zahlte, und es endet mit dem Abdruck der komplizierten Erbschafts- und Stif-tungsverträge.

Das größte Bild der hiesigen Ausstellung ist die leuchtend orangerote „Feuer-Quelle“ mit ihren wenigen schwarzen Formen und ihrer Fülle an kosmischen Assoziationen. Hier versteht man unmittelbar ein Zitat: „Dem Künstler liegt mehr an den formenden Kräften als an den Form-Enden.“ Ein wenig Metaphysik war dem Künstler schon recht, der sich durchaus bemühte, „näher am Herzen der Schöpfung“ zu sein. Und doch band Paul Klee sich niemals an die Weltentwürfe der zeitgenössischen Ideologien, nicht einmal an die Ideale des Bauhauses in Weimar und Dessau, dessen Lehrer er immerhin von 1921 bis 1931 war.

Schon 1906 schrieb er: „Mich braucht niemand zu ironisieren, das besorg ich schon selber.“ Und noch heute sind es besonders die skizzenhaften Zeichen, die wie Hieroglyphen einer besseren, offeneren Welt ein kleines freundliches Leuchten verbreiten. Also: Bei schlechter Laune ab in die Kunsthalle, Katalognummer 121 angeguckt. Wer dann angesichts von „Schoßhündchen N“ nicht wieder lächeln muss, dem ist nicht mehr zu helfen.

„Paul Klee – Die Sammlung Bürgi“, Hamburger Kunsthalle, Altbau, bis 23. Juli, Katalog im Verlag Benteli, 280 Seiten, Hardcover, 39 Mark

Zusätzlicher Tipp: Paul Klee: Gedichte. 142 Seiten, Leinen, Verlag Arche, Zürich-Hamburg, 25 Mark

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