Die sanfte Brandung der A 27

■ Der Campingplatz am Stadtwaldsee ist zwanzig Jahre alt geworden / Ein kleiner Rundgang auf den Spuren eines besonderen Lebensgefühls in fünf Stationen

Frösche quaken nach Liebe, die Sonne scheint, sanfter Wind trägt die Brandung der A 27 herbei: der internationale Campingplatz „Freie Hansestadt Bremem“ ist gestern zwanzig Jahre alt geworden, und alles war wunderbar. 197.470 Menschen haben seit 1980 auf dem Gelände unweit des Stadtwaldsees campiert. Grund genug für eine Ortsbegehung auf dem ersten Bremer Campingplatz.

Der Pensionär

„Es gibt nichts schöneres, als hier abends im Wagen, und dann guckt man die Sportschau“, sagt Dieter Heckendorf. Der 58jährige war bis Dezember 1998 Materialbeauftragter bei der Deutschen Bahn. Jetzt wohnt er jedes Jahr von April bis Oktober in Block B, Platz 1. „Hier geht's am Abend mit den Fröschen und Vögeln ins Bett“, berichtet der Saisoncamper, und das findet auch seine Partnerin Siegrid Niemann (52) gut. Im Winter wohnen die beiden in Findorff.

Langeweile hat Herr Heckendorf keine: Er bastelt an seinem Wohnanhänger, geht kegeln oder zum DB-Rentertreff. Einen Tag vor seiner Pensionierung hat er sich einen Suzuki-Geländewagen gekauft, mit dem er spazierenfährt, während seine Frau als Köchin arbeitet. Neben dem Kaffeetisch parken außerdem ein Mercedes sowie ein funkferngesteuerter Opel.

Der Wohnwagen

Heckendorfs Wohnanhänger ist 7.50 Meter lang und damit „einer der längsten“. Das eierschalenfarbene Gefährt der Marke „Bürstner“ hat ein Vorzelt mit massiven Aluminiumstangen, auf das der Besitzer besonders stolz ist („Das kann einen halben Meter Schnee ab.“) Im Inneren ist der 15 Jahre alt Hänger komplett mit Eichenholzfurnier ausgestattet. Es gibt fließend Wasser, eine gekachelte Bio-Toilette und ein französisches Bett. Daneben: zwei Flaschen Sekt. Mehrere Staubsauger stehen zur Verfügung, „alles fast wie zu Hause“.

Der Pächter

Seit 1998 ist Hartmut Will Herr über die einhundert Stellplätze des Platzes, die im Fachjargon „Einheiten“ heißen. Der 44jährige, der bis vor einigen Jahren noch einen Hausmeisterservice betrieben hat, sieht sich als Unternehmer: „Das oberste Gebot ist der Gast“. An zweiter Stelle: Ordnung. Die meisten Gäste kommen aus Deutschland, gefolgt von Touristen aus den Benelux-Ländern und Skandinavien. Sein Campingplatz war 1980 von der Stadt und dem ADAC realisiert worden. Will ist wichtig: „Wir sind nicht parzelliert“.

Der Bürgermeister

„Ich freu' mich“, sagt Henning Scherf, der sich in der Worpswede-Stube vor ein Stück Erdbeerkuchen hingesetzt hat. Mit dem Campingplatz, den sich die Stadt Bremen einige Millionen Mark hat kosten lassen und den neuen Gebieten rundherum sei etwas „ganz reizvolles, buntes, offenes“ entstanden. Gleichzeitig sinniert er, „was wir für ein Geld machen könnten, wenn wir das hier verscherbeln würden“. Aber nein, dem Bürgermeister gefällt das Nebeneinander von High-Tech und Erholung. Er schwimmt nachts gern im Stadtwaldsee.

Der Aussteiger

„Henry“ will Namen und Alter nicht verraten, „die spielen keine Rolle im Leben“. Er kommt aus Gütersloh und hat alles verkauft, was er besaß, „ich hatte keinen Bock mehr“. Dafür hat er jetzt ein Wohnmobil, ein umgebauten Eierwagen. Henry bewohnt den 609er Diesel gemeinsam mit einem Freund, und arbeitet nebenbei als Gärtner oder Koch. Er schätzt soziale Gefühle und denkt über den Bau einer Markise nach. Und geht davon, um den Bürgermeister zu sehen. hase