Mit Schaffensdrang zum Müßiggang

■ Felix Quadflieg und Sophie Warning sind eigentlich faul. Trotzdem haben sie sich in die Wirren des deutschen Vereinsrechts gestürzt und eine Veranstaltungsreihe namens „Müßige Tage“ organisiert. Oder: organisieren lassen

Da haben sich zwei nach eigener Aussage „ganz schön angestrengt“, um diese Reihe mit Lesungen, Filmvorführungen, Diskussionen und anderen Aktivitäten zum Thema „Müßiggang“ zu organisieren. Und das Schöne daran ist, dass sich Felix Quadflieg und Sophie Warning dieses Widerspruchs durchaus bewusst sind. Ihr gesamtes Projekt ist gepflastert mit solchen Ironien: So gründeten sie etwa im letzten Winter den „Verein zur Förderung des Müßiggangs – Otium“ (falls Sie zu faul sind, es nachzuschlagen: Das ist das lateinische Wort für die gleiche Sache). Eine zwangsläufig treudeutsche Angelegenheit mit Satzung, Vorstand, Kassenwart und so weiter, bei der sich dann alle hinsetzen und zusammen müßig sind. „Der Widerspruch ist gewollt“, sagt Felix Quadflieg, den gerade solche Gratwanderungen zwischen Witz und Philosophie zu reizen scheinen.

Denn die Frage des Müßiggangs ist ja existenziell, scheint jedoch zurzeit völlig aus der Mode gekommen zu sein. Wenn man aber sieht, wie manisch heute überall „Freizeit“ betrieben wird, erkennt man schnell, dass eine Schulung in Müßiggang vielen dringend Not tut. Doch wer sich in der Muße übt, konsumiert nicht, hier geht es darum, wie man sein Leben gestaltet, und „damit lässt sich kein Geld machen“, weiß Sophie Warning. „Müßiggang beginnt jenseits von Arbeit und Freizeit“, ergänzt Felix Quadflieg. Die beiden professionellen Müßiggänger wollen zwar alles andere als belehren, aber man merkt schnell, dass sie das Thema in schönster bildungbürgerlicher Tradition von der literarischen und philosophischen Ecke her angehen.

Quadflieg wollte schon als Kind „Schäfer in Albanien“ werden, und als beide vor zwei Jahren als Arbeitslose in der Arbeitslosenbewegung aktiv wurden, störte es sie bald, dass auch dort die Arbeitsmoral „alle in den Klauen hatte“, erinnert sich Warning. So begannen sie privat, entsprechende Texte zu sammeln und vorzulesen. Ein Aha-Erlebnis war dann ihr Auftritt auf der Weihnachtsfeier des DGB, wo sie zum ersten Mal erlebten, dass viele im Publikum sich über die Texte empörten, weil sie sich durch diese Infragestellung ihres Arbeitsbegriffs verspottet fühlten.

Auch wenn sie von solchen Merkwürdigkeiten erzählen, zeigen die beiden einen sehr ausgeprägten Sinn für Ironie. Ein an der Vereinsmitgliedschaft Interessierter fragte etwa ängstlich: „Heißt das etwa, dass ich nie wieder arbeiten darf?“ Im glücklichen Italien wird Müßiggang inzwischen an zwei Grundschulen gelehrt, ob als Leistungsfach, wusste Felix Quadflieg aber auch nicht zu sagen. An den vielen bisherigen Reaktionen auf ihre Projekte merken die beiden, wie präsent – wenn auch eher negativ besetzt – das Thema ist. Warning: „Jeder kann etwas damit anfangen, die Leute sind entweder begeistert oder völlig ablehnend.“

So schien es ihr „fast schon gespenstisch“, wie entgegenkommend die meisten Ansprechpartner in den Institutionen waren. Bei den Behörden war man extrem hilf-reich und gab sogar noch Tipps, wie sie welche Zuschüsse beantragen sollten.

Nun haben die beiden Organisatoren sich aber auch nicht übermäßig in die Arbeit gestürzt. Einen Großteil des Programms, nämlich das Filmprogramm, überließen sie großzügig den Leuten vom Kino 46, die mit Filmen von Fellini, Louis Malle und Jim Jarmusch einige klassische Loblieder auf das Faulsein aufführen. Der selten gezeigte Kurzfilm „Le Ballon Rouge“ von Albert Lamorise wird durch ein Konzert des Ensemble Rouge abgerundet (nähere Informationen über das Filmprogramm auf der Kinoseite).

Eine schöne Idee war es auch, die Lesung von Eberhard B. Plümpe über „Das Recht auf Faulheit“ vor dem Arbeitsamt zu veranstalten: „Liege-, Camping- oder Klappstühle bitte mitbringen.“ Ansonsten lesen und agieren die üblichen Verdächtigen an den üblichen Treffpunkten wie der Villa Ichon („Reflexionen & lyrische Texte“ mit Konrad Pfaff und Kalle Wiersch am 15. Mai um 20 Uhr), dem Institut Français (Lesung mit Peter Bürger am 22. Mai um 19 Uhr) oder dem Schnürschuhtheater („Der Lochimacher“, Theaterstück von Matthias Nölke am 21. Mai um 20 Uhr). Wilfried Hippen

Mehr Informationen über „Müßige Tage“ telefonisch unter der Nummer 44 53 85 oder im Internet bei www.otium-bremen.de