pampuchs tagebuch: Die GRINGOS ZAHLEN EINEN DOLLAR FÜR EINE STUNDE
Ecuador, das Land am Äquator, macht schwierige Zeiten durch. Nachdem man dort mit den zwei letzten Präsidenten ziemlichen Schiffbruch erlitten hat – sie aber immerhin erfolgreich aus dem Regierungspalast vertreiben konnte –, ächzt das Land unter der „Dollarisierung“. Von der alten Währung „Sucre“ (genannt nach einem der Vizelibertadoren) gehen 25.000 auf einen Dollar, und nun müssen die Schulkinder und die Indianer, die Campesinos wie die Panamahutverkäufer sich mit so merkwürdigen Gringo-Häuptlingen wie Grant, Jackson und Hamilton vertraut machen, Bei dem ortsüblichen Monatslohn von 38 Dollar werden viele Ecuadorianer den 50-Dollar-Grant allerdings wohl eher selten zu Gesicht kriegen.
Doch es gibt auch Positives aus dem Land der Vulkane zu berichten. Die Bevölkerung ist durchaus bereit, für ihre Interessen auf die Straße zu gehen. Auf dem Hauptplatz von Quito – wo kurz zuvor noch ein Hollywoodfilm mit Meg Ryan gedreht wurde – demonstrierten fleißig die Schüler, und auch die Indianerbewegung verschafft sich zunehmend Gehör. Die Anfang des Jahres wild um sich spuckenden Vulkane Pichincha und Tungurahua haben sich in den letzten Wochen auf gelegentliche kleine Drohwölkchen beschränkt; es ist, als wollten sie nunmehr diszipliniert ihre Solidarität mit den Armen des Landes signalisieren. Der neue Präsident (und ehemalige Vizepräsident) Noboa muss vorsichtig sein: Ausbrüche, welcher Art auch immer, kann er sich nicht leisten.
Für die Touristen ist Ecuador vielleicht gerade deswegen ein friedliches Ziel. Zwischen dem Violencia-geschüttelten Kolumbien und dem von Fujimoris drohender Götterdämmerung gefährdeten Peru versucht sich Ecuador als neues Globetrotter-Mekka zu etablieren. Zwar kann man auch weiterhin den „trickle-down“-Effekt des internationalen Tourismus für die örtliche Bevölkerung in Frage stellen, Tatsache ist jedoch, dass eine Reihe von kleinen, modernen Betrieben und Agenturen versucht, den großen Monopolhaien der ecuadorianischen Tourismusindustrie Konkurrenz zu machen.
Ein Beispiel dafür, wie pfiffige Jungs Touristendollars akkumulieren, sind die überall wie Pilze aus dem Boden schießenden Internetcafés. Ob auf dem berühmten Indianermarkt in Otavalo, in den Nebenstraßen von Quitos Touristenmeile Rio Amazonas oder im kolonialen Cuenca, überall locken mehr oder weniger gemütliche Cyberstuben zum Chat oder zum Surfen. Und das für einen Dollar die Stunde, was weitaus billiger ist, als das eigene Kistchen im Hotel anzuschließen. Außerdem ist es lustiger und setzt eine offenbar schnell wachsende elektronisch-dynamische Unternehmergeneration in Arbeit und Brot. Nicht dass damit schon die Probleme des Landes gelöst wären. Doch es zeigt, dass auch die Andenbewohner in atemberaubendem Tempo ins Global Village drängen – übrigens selbst die Indianer, wie ein Besuch der Website der Indianerkonföderation Ecuadors, CONAIE, zeigt (conaie.nativeweb.org/folleto.html).
Wer selbst hinreisen will, wird im Internet unter www.toppsa.com mit erheblichen Rabatten bedient. Das Ganze nennt sich zwar „last minute“, aber man kann schon 60 Tage vor Abreise buchen. Ganz so gehetzt geht es in den pazifischen Anden dann doch nicht zu.
THOMAS PAMPUCH
Nachbemerkung in eigener Sache: Wie wir lesen, ist Thomas Pampuch aus den Anden glücklich in den heimatlichen Cyberspace zurückgekehrt. Willkommen! Zum Dank eröffnen wir hiermit den friedlichen Wettbewerb zwischen ihm und seiner Mitkolumnistin Jutta Heess. Sie wird nächste Woche schreiben, was ihr im Netz widerfuhr, danach werden wir wieder in Pampuchs Tagebuch lesen – und so weiter in schönster wöchentlicher Ausgewogenheit, damit wir alle immer nur gewinnen.
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