Kampf ums Internet in Entenhausen

Die Unterhaltungskonzerne Disney und AOL/Time Warner streiten sich um Kabel und den Markt der Zukunft

WASHINGTON taz ■ Als zu Beginn des Jahres Amerikas größter Medienkonzern Time Warner vom größten Internetprovider AOL gekauft wurde, berichteten Zeitschriften und Magazine atemlos von der „Elephantenhochzeit des Jahrhunderts“ und davon, wie sie die Medienlandschaft verändern würde.

Durfte man damals noch fragen, warum sich der Normalbürger eigentlich für solche Fusionen interessieren sollte, so lieferte im Mai eine dunkle Glotze die Antwort: AOL/Time Warner hatte sich geweigert, Programme des Senders ABC über seine Kabel zu transportieren. ABC gehört Disney, betroffen waren gut dreieinhalb Millionen Zuschauer in New York, Los Angeles oder Houston.

Disney hatte von AOL/TW höhere Gebühren für das Recht verlangt, populäre ABC-Sendungen durch deren Kabel in Haushalte bringen zu dürfen – wenn Kabelgesellschaften die Signale von attraktiven Sendeanstalten aufgreifen, dann müssen sie dafür eine Gebühr zahlen, und AOL/TW ist (auch) eine Kabelgesellschaft.

Disney beschuldigt nun AOL/TW, seine durch die Fusion gewonnene Macht- und Monopolstellung auszunutzen und bestimmen zu wollen, was die Fernsehzuschauer sehen dürften. Umgekehrt wirft AOL/TW Disney vor, die Verhandlungen absichtlich zum Scheitern gebracht zu haben, um die Genehmigung der Fusion durch das amerikanische Kartellamt zu verhindern.

Bei alledem geht es nicht nur um die Verwischung der Grenzen zwischen verschiedenen Medien, sondern um die Inhalte der Medien selbst. Vor allem, da das Kabel inzwischen auch zum Telefonieren und als Datenautobahn benutzt wird, TV-Programme dagegen auch übers Internet zu empfangen sind. Letztlich geht es beim Ringen der Giganten also um die Hegemonie im Internet.

Der Zusammenschluss von Time Warner mit AOL ermöglichte auch eine Fusion klassischer Entertainment-Angebote mit dem Internet. Time Warner nämlich gehört, neben Filmstudios und -gesellschaften, Kabelprogramme wie CNN, HBO und TNT sowie 73 Zeitschriften (u. a. Time Magazine) – und zu allem Überfluss besitzt Time Warner mit Kabel auch die physischen Strippen, an die man die Glotzen anschließt. Disney fürchtet nun, dass seine Programme und Inhalte durch die Verschmelzung von Entertainment mit dem Internet ausgeschlossen sein werden. Disney verlangte ein kartellrechtliches Vorgehen des US Justizministeriums gegen AOL/TW.

Mit dem Verfahren gegen Microsoft und den Auseinandersetzungen um die Zulässigkeit der AOL/TW-Fusion dürfte sich der an das ausgehende 19. Jahrhundert erinnernde Kampf der Industriegiganten endgültig auf den High-Tech-Bereich verschoben haben. Wo die neue Qualität des Kartellrechts bleibt, die dem Kunden statt der Industrie dienen soll, ist dabei noch nicht recht ersichtlich: Tatenlos muss der User zusehen, wie aus dem ehemaligen „Nationalpark“ Internet ein Einkaufszentrum wird. Da ist es kein Wunder, wenn immer mehr finanzstarke „dot.coms“ Ziel von Hacker-Attacken werden. PETER TAUTFEST