Täglich grinst der Affe aus uns

betr.: „Hier ist nichts für dich“, taz.mag vom 6. 5. 00

Vielen Dank für diese brillante Deutschland-Analyse. Ihr Artikel hat mich sehr bewegt. Ich habe lange darüber nachgedacht, was mich am stärksten berührt hat, und ich glaube, es ist Ihre so nüchterne, sachliche, hassfreie Schilderung der Ist-Zustandes. Nein – ich hatte zuvor nicht die Illusion, dass es in Deutschland anders sei. Jeder, der hören und sehen will, weiß das. Aber dieses Wissen wird durch Ihren Beitrag gewissermaßen gereinigt und steht plötzlich nackt in seiner ganzen Hässlichkeit vor einem. Diese „positive Gehirnwäsche“ ist hilfreich, aber sie ist auch schmerzhaft. Es ist schon sehr deprimierend festzustellen, dass der bekennende Nazi „... gar nicht der Übelste war, denn immerhin sprach er mit uns“.

Ja – wir haben eine besondere Verantwortung in Deutschland. Trotzdem muss man feststellen, dass Fremdenfeindlichkeit und Rassismus eben keine deutschen, sondern europäische Probleme sind. Ich bin sehr sicher, dass Sie ähnliche Erfahrungen in einem ähnlichen regionalen Umfeld (also nicht in den Metropolen) leider auch als Französin, Engländerin oder Schweizerin gemacht hätten. Das empfinde ich als besonders beunruhigend. Ihr Weggang ist ein Verlust für uns Europäer. Vielleicht kommen Ihre Kinder eines Tages zurück, um in der alten Welt als Entwicklungshelfer tätig zu werden. ANDRE PODSZUS, Hamburg

Für eine mit einem Taiwanesen verheiratete Deutsche mag es eine gute Idee sein, vor Rassismus aus der norddeutschen Provinz nach Stanford zu fliehen. München wäre allerdings auch nicht schlecht: Da wären Sie dann zusammen mit mir (Hesse) und meiner Frau (Taiwanerin) nur ein paar Saupreußen mehr.

Vor zwei Jahren fuhr ich mit einem Freund durch die Stadt. Er erklärte mir, wo man als Schwarzer, Brauner, Gelber, Weißer, Jude, Nichtjude besser nicht wohnt. Die Stadt war Cleveland. Mein Freund, geboren in Hongkong, lebt jetzt in Berkeley. Rassismus ist kein besonders deutsches Problem. In den USA gibt es reichlich mehr Gelegenheit für ihn, zu Tage zu treten. Entsprechend mehr Erfahrung und Maßnahmen gibt es im Umgang mit Rassismus. Chinesen erfahren ihn als passiv Betroffene dann, wenn sie eine Heimat verlassen, in der ich insbesondere nicht als Afrikaner leben möchte. In Japan war ich „Außenmensch“ (Gaijin), obwohl „wir“ immerhin mal Kriegsgenossen waren, danke schön.

Wir kennen demnächst unseren genetischen Code vollständig, aber täglich grinst aus uns der Affe heraus, der bei jedem Treffen mit seinesgleichen sekundenschnell entscheiden muss, ob Freund, ob Feind, ob oben oder ob unten. Da nimmt man halt, was sich am ehesten bietet: die Äußerlichkeiten. Und hier bietet die Rasse offensichtlich (im Sinne des Wortes) einen besonders deutlichen Unterschied. Auf der Suche nach Rechtfertigungen für Unterschiede bei der Resourcenverteilung brauchen wir das. Insofern ist Rassismus eben nicht nur in Norddeutschland „natürlich“.

Diese Natürlichkeit entschuldigt aber nichts, sondern weist heute auf das Problem: Wieviel „Natürlichkeit“ können wir uns noch leisten in einer Welt, in der der Mensch den Fortschritt schon unumkehrbar weit über natürliches (vorwiegend evolutionäres) Aus-Testen hinaus vorangetrieben hat? GÖTZ KLUGE, München

Ich habe keine Zweifel an den Tatsachen des Berichtes. Doch ist das die ganze Wahrheit? Meine Frau ist aus Peking, wir haben zwei Kinder, lebten mal in Berlin, leben jetzt in Bonn, ab und zu auch in Wien. Den von Hanne Chen beschriebenen Rassismus haben wir nie erlebt. Ich kenne vielmehr einen Rassismus ganz anderer Art, über den wenig geredet wird, den chinesischen nämlich, der meiner Frau die Ehe mit einem Ausländer vorwirft und mir als ausländischem Sinologen bescheinigt, das Niveau eines chinesischen Erstklässlers zu haben etc. Daraus mache ich jedoch keinen Artikel, weil nur manche Chinesen so denken und handeln, aber nicht alle. Mit diesen wenigen setze ich mich aktiv auseinander. Die Ergebnisse sind nicht schlecht. WOLFGANG KUBIN, Bonn