speichenbruch
: Jede Menge Dopingverdächtige beim Giro d`Italia

DER STAATSANWALT RADELT MIT

Für manche ist das alles ganz einfach mit dem Giro d`Italia: Man nehme etwa Gino Bartali. Zum Tode der italienischen Radsportlegende am vergangenen Freitag las man am Sonntag im Osservatore Romano, der vatikanischen Tageszeitung, dass Bartali ein großer Champion und stets konsequenter Christ gewesen sei, vor allem jedoch sei er bis zu seinem Tod katholisch geblieben. Und wenn es nun nach dem Papst ginge, hat der Toskaner genau aus diesem Grund in den 30er- und 40er-Jahren unter anderem zweimal die Tour de France und dreimal den Giro gewonnen. In Zeiten, als „der menschliche Faktor im Sport noch obsiegte über die Lüge des Dopings“, so der Osservatore.

Sicher ist, dass Bartali in seiner 20-jährigen Profikarriere von vier Päpsten persönlich gesegnet und immerhin 86 Jahre alt wurde. Hätte das Herz noch ein paar Tage länger geschlagen, dann hätte Johannes Paul II. die Serie der Bartali-Segnungen noch gekrönt, morgen in Rom, anläßlich der 83. Auflage der Italienrundfahrt, die zur Feier des Heiligen Jahres vor dem Petersdom mit dem Prolog gestartet wird.

Womit man wieder beim Thema wäre: Dem Giro d`Italia und bei denen, für die das dann doch nicht alles so einfach ist. Seit die Kontrolleure des Weltverbandes UCI den Titelverteidiger Marco Pantani im vergangenen Jahr auf der vorletzten Etappe, als er praktisch schon gewonnen hatte, wegen des knapp erhöhten Hämatokritwertes, einem Indiz für den Missbrauch des ausdauersteigernden Hormons EPO, aus dem Wettbewerb zogen. Seit der phänomenale Kletterer aus Cesenatico dann die obligatorische 14-tägige Beurlaubung „aus gesundheitlichen Gründen“ trotzig ausweitete, verblüfft, dass es ausgerechnet ihn, den Star, getroffen hatte: Bis Ende der Saison bestritt Pantani keine Rennen mehr.

Erstmals wieder im Februar versuchte sich der Tour- und Giro-Sieger von 1998 bei der Valencia-Rundfahrt gegen die Konkurrenz. Nach der zweiten Etappe stieg er vom Rad, aus seelischen, nicht aus körperlichen Gründen, wie er erklärte. Vor einer Woche sagte Pantani auch noch die Teilnahme am Giro endgültig ab. Obwohl man in der Sportgruppe Mercatone Uno den Star gemeldet und obwohl Teamdirektor Giuseppe Martinelli gerade öffentlich erklärt hatte, sein Teamkapitän trainiere sehr gut und habe schon wieder mehrere Bergetappen eingelegt. Dann flatterte die Anklageschrift des Michele Leoni ins Haus: Der Untersuchungsrichter aus Forli wird Pantani den Prozess machen. Für einen Vorfall, der sich im Oktober 1995 zugetragen hatte, als Pantani nach seinem schweren Rennunfall bei Mailand – Turin operiert wurde und sich dabei herausstellte, dass sein damaliger Hämatokritwert die 1997 von der UCI eingeführte Toleranzgrenze von 50 um mehr als 10 Punkte überschritt.

Leoni ist überzeugt: Pantani hat sich gedopt, beim Giro 99 oder vorher. Im Fall von Marco Pantani wird Artikel 401 des italienischen Strafgesetzbuches erstmalig auf einen Sportler angewandt und vollkommen andersartig interpretiert: Medikamente widerrechtlich weitergegeben zu haben wird zu mutmaßlichem Gebrauch illegaler Substanzen zwecks Manipulation des Wettbewerbs. „Ich weiß nicht, wann ich wieder Rennen fahre. Ich melde mich zurück, wenn mein psychischer Zustand es mir erlaubt“, sagte Pantani nach seinem Termin bei Leoni vor zehn Tagen und verzichtet lieber auf den päpstlichen Zuspruch zum Millenniums-Giro, als den UCI-Kontrolleuren doch noch die Ehre zu geben.

Das große Fest findet auch ohne Pantani statt. Dafür kommt ja zum Beispiel Ludo Dierckxens von Lampre zum Papst. Der belgische Meister, der nach seinem Etappensieg bei der Tour 99 wegen des Gebrauchs eines cortisonhaltigen Medikamentes nach Hause geschickt worden war, gibt beim Giro sein Debüt nach sechsmonatiger Sperre. Ivan Gotti, Giro-Sieger von 99 nach Pantanis unfreiwilligem Ausstieg und ebenfalls in die Dopingaffäre um den Sportmediziner Conconi verwickelt, ist von der Richard-Virenque-Squadra Polti als Spitzenmann gemeldet. Er soll ein zweites Mal gewinnen: 3.707 Kilometer den Stiefel runter, vom Tyrrhenischen ans Adriatische Meer, über Dolomiten- und Alpenpässe bis Mailand. Beim Bergzeitfahren am vorletzten Tag von Briançon nach Sestrière wird vermutlich die Entscheidung fallen, während die Staatsanwälte in Brescia, Trient und Bologna noch gegen Kletterspezialist Gotti ermitteln.

Die Vorwürfe sind die gleichen wie die gegen Pantani. Oder Paolo Salvodelli, der Vorjahreszweite, der als heißer Favorit gehandelt wird, weil er gerade die stark besetzte Tour de Romandie in der Schweiz gewonnen hat. Das Doppel war schon seinem Landsmann Giuseppe Saronni 1979 geglückt. Auch gegen Saecos Salvodelli ermittelt der Staatsanwalt. Und Salvodelli-Kollege Mario Cipollini, zuständig für die Show auf den Flachetappen und die Tagessiege 151 ff seiner Karriere, steht ebenfalls auf der Liste der Ermittler. Dagegen wird auch der päpstliche Segen nicht helfen. MIRJAM FISCHER