Bärendienst für Präsident Putin

MOSKAU taz ■ Mehrere Büros des Medienkonzerns Media-Most wurden gestern Vormittag von maskierten und bewaffneten Mitarbeitern des Innenministeriums, der Steuerpolizei und der Staatsanwaltschaft in Moskau heimgesucht. Die Generalstaatsanwaltschaft lehnte es indes ab, Anlass und Hintergründe der geräuschvollen Aktion zu nennen.

Angeblich sei gegen einen Mitarbeiter des privaten Medienkonzerns, der zuvor ein höheres Staatsamt bekleidet hatte, ein Verfahren wegen Machtmissbrauchs und Veruntreuung eingeleitet worden. Genauere Angaben waren nicht zu erhalten.

Die Gruppe Media-Most ist der größte private Medienkonzern Russlands und gehört zum Imperium des Finanzmoguls und Oligarchen Wladimir Gussinski. Sein privater Fernsehsender NTW, die Radiostation „Echo Moskau“, die Tageszeitung Sewodnja und das Wochenmagazin Itogi zählen zu den Aushängeschildern der unabhängigen russischen Presse. Sie blieben in kritischer Distanz zum Kreml, ohne indes aus der Opposition gleich ein Programm oder Markenzeichen zu machen.

Im Gegensatz zum propagandistischen Einheitsbrei der staatlichen Medien erlaubte sich Media-Most indes im Zusammenhang mit dem Tschetschenienkrieg und der Person des neuen Präsidenten, Wladimir Putin, auch unangenehmere Fragen zu stellen. Nach Aussagen von Sewodnja-Chefredakteur Michail Berger dienen die Hausdurchsuchungen nur einem Ziel: der Einschüchterung. Die Zeitung hatte seit einigen Wochen Material gesammelt, das Mitarbeiter der Administration des Präsidenten und der Nachfolgeorganisation des KGB, des FSB, der Korruption und des Amtsmissbrauchs überführen könnte. In dieser Angelegenheit hatte sich Berger Ende März bereits in einem Schreiben an Putin gewandt, jedoch keine Antwort erhalten.

Der stellvertretende Direktor des Konzerns, Igor Malaschenko, stieß ins gleiche Horn: Die Öffentlichkeit solle durch die Aktion lediglich „auf eine falsche Fährte gesetzt werden“.

Vier Tage nach der offiziellen Amtseinführung des Präsidenten und der im Europarat anhängigen Entscheidung, ob Russlands Mitgliedschaft in dem Gremium wegen Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien vorübergehend suspendiert werden sollte, erwiesen die amtsbeflissenen russischen Ordnungsorgane ihrem neuen Staatsoberhaupt wohl in erster Linie einen Bärendienst.

KLAUS-HELGE DONATH