Der Juniorchef

Tarek Al-Wasir ist neuer Fraktionsvorsitzender der hessischen Grünen. Die CDU bezeichnet ihn als „Dauerstudenten mit Dienstwagenprivileg“

Tarek Al-Wasir kann herzlich lachen, charmant parlieren und hilfsbereit Auskunft geben. Wenn er will. Wenn er nicht will, dann gehen die Pferde mit ihm durch und ältere Damen werden sauer. So zum Beispiel, als der Student, der seit 1995 für die Grünen im hessischen Landtag sitzt, FDP-Fraktionschefin Ruth Wagner während einer Plenardebatte einen Vogel zeigte. Ihr entrutschte spontan ein „Arschloch!“

In der Zwischenzeit hat sich Al-Wasir Respekt verschafft – vor allem durch seine geschliffenen, manchmal flammenden, rhetorisch gekonnten Reden. Vielleicht reagierte die CDU auch deshalb so empfindlich, als der 29-Jährige Anfang der Woche zum neuen Fraktionsvorsitzenden der Bündnisgrünen gewählt wurde. Sie schimpfte den jungen Mann „rüpelhaft“, einen Karrieristen „ohne Berufsausbildung“ und einen „Dauerstudenten mit Dienstwagenprivileg“.

Tarek Al-Wasir, Sohn einer deutschen Lehrerin und eines jeminitischen Exdiplomaten und Geschäftsmanns, wurde 1971 in Offenbach geboren. Zwei Jahre lang lebte er bei seinem Vater im Nordjemen und besuchte eine internationale Schule in Sanaa. 1987 kehrte er nach Offenbach zurück – mit der Erkenntnis, dass er in Deutschland leben wollte. Nach dem Zivildienst begann Al-Wasir ein Studium der Politikwissenschaften in Frankfurt am Main.

Seit 1989 ist er Mitglied der Grünen. Zwei Jahre lang war er Vorsitzender der Grünen Jugend Hessen, deren Etablierung in der Partei er mit erstritten hatte. Während sein Freund und Mitstreiter Thomas Berninger sich für die Bundespolitik entschied, wurde Al-Wazir erst Stadtverordneter in Offenbach und dann Landtagsabgeordneter.

Al-Wasir, das bedeutet im Jemen „der Minister“: Gerüchte, dass er aus einer jemenitischen Herrscherfamilie stamme, lüftete er in dieser Woche. Da sei ein Großonkel väterlicherseits gewesen, der sich im Jemen unvorsichtigerweise an einem Umsturz beteiligte, kurzfristig gar zum König aufstieg, dann aber geköpft wurde. Der Hang zur Politik läge wohl in der Familie, kommentierte Al-Wasir – er aber bevorzuge das ungefährlichere Terrain seines Geburtslandes. Und da ist er vor allem Offenbacher, eingeschworener Kickers-Fan und Jogger in der betonlastigen Lederstadt mit den leeren Kassen, in der, so Al-Wasir, die Leute einst „den Kühen das Fell über die Ohren zogen“, ehe es ihnen selbst ans Leder ging.

Als Diplomatensohn hat er es bisher verstanden, sich aus fraktions- und parteiinternen Kämpfen herauszuhalten. In der zerstrittenen Partei nennen ihn die einen deshalb opportunistisch, die anderen hoffen auf sein Integrationstalent. HEIDE PLATEN