ZUM BESUCH DES TSCHECHISCHEN PRÄSIDENTEN IN DEUTSCHLAND
: Eine Lanze für die Sudetendeutschen

„Noch nie waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Tschechien so gut wie heute“, heißt es in fast allen Berichten über den Staatsbesuch Präsident Václav Havels. Das trifft zu – doch muss einbezogen werden, dass die Beziehungen zwischen den beiden Ländern in der Vergangenheit traditionell entweder sehr schlecht oder bestenfalls nicht sonderlich gut waren. Das gilt auch für die „Bruderländer“ DDR und ČSSR.

Tatsächlich konnten die deutsch-tschechischen Beziehungen also nur besser werden. Schön, dass das nun endlich passiert – schließlich wurde viel Zeit regelrecht verplempert. In den Jahren nach der Wende hatten vor allem die selbst ernannten Funktionäre aus der Sudetendeutschen Landsmannschaft ihre Forderungen an die tschechische Adresse bis ins Unverschämte hochgeschraubt. Sie erweckten den Eindruck, als wollten sie die Folgen des Zweiten Weltkriegs rückgängig machen. Viel zu lange hat die Kohl-Regierung versucht, mit Hilfe der sudetendeutschen Karte die Prager Regierung unter Druck zu setzen. So manche der in den Raum gestellten Bedingungen hätte für die tschechische Seite die schlichte Selbstaufgabe bedeutet.

Über das merkwürdige Lavieren der deutschen Regierung begann man sich zunehmend sogar in den westeuropäischen Hauptstädten zu wundern. Nun aber ist die Zeit der Peinlichkeiten wirklich vorüber – und die Aussichten dafür, dass die Beziehungen zwischen beiden Ländern sogar noch besser werden könnten, als sie es ohnehin schon sind, stehen gut. Vielleicht ist damit jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, eine Lanze für die Sudetendeutschen und ihre Nachkommen zu brechen – weniger für die Honoratioren der Landsmannschaft als für jene, die sich seit der Wende für eine gemeinsame Zukunft beider Völker engagieren. Über sie wird selten berichtet. Meistens gehören sie der zweiten Generation an, sind also in Deutschland geboren und aufgewachsen. Aber die Suche nach ihren Wurzeln führt sie in das Herkunftsland ihrer Eltern. In Tschechien lernen sie neue Freunde kennen, und manche von ihnen erlernten sogar die nicht eben leichte tschechische Sprache. Im Kleinen, aber manchmal auch an wichtigen Stellen, setzten sie sich für eine gute Nachbarschaft ein.

Von den sudetendeutschen Verbandsfunktionären werden diese Sudetendeutschen übrigens nicht sonderlich geliebt. Und auch die Nationalisten in Böhmen mögen sie nicht: Sie wollen immer noch nicht wahrhaben, dass ihr Land einst den Reichtum zweier schöner, schwerer Sprachen besaß, der zwar von den böhmisch-mährischen Deutschen leichtfertig verspielt wurde – aber eben nicht nur von ihnen allein. RICHARD SZKLORZ

In der Ex-ČSSR aufgewachsen und mit 20 Jahren emigriert