In vierzig Räumen um die Welt

Konkurrenz für die Expo: Fünf Jahre lang wurde im Auftrag der Berliner Festspiele an der Ausstellung„Sieben Hügel“ gearbeitet. Sonntag geht sie nun los, die Millenniums-Schau im Martin-Gropius-Bau

Das Wissen leuchtet im Dunkeln. Mehr wie ein Höhlenforscher denn wie ein Bergsteiger fühlt sich der Besucher der „Sieben Hügel“, die vom Jahr 2000 aus den Blick zurück in die Wissensspeicher und Archive der Menschheit lenken wollen. Die Architektur der Ausstellung verspricht Abenteuer und Kostbarkeit. Alte Himmelskarten liegen in Stahlkoffern unter den jüngsten Fotografien der Milchstraße, steinerne Schrifttafeln und Rechenmaschinen des Barock wechseln mit High-Tech-Informationssystemen. Am Anfang fühlt man sich unwissend und euphorisiert von Schaulust und dem Angebot, in Hirnforschung, Geowissenschaften, Genpools und Traumdeutung über die Magie der Bilder eingeführt zu werden. Am Ende hat man seine Fragen vergessen.

Fünf Jahre lang haben Bodo-Michael Baumunk und Gereon Sievernich an dieser Millenniums-Schau im Auftrag der Berliner Festspiele gearbeitet, seit anderthalb Jahren wird sie beworben und am Sonntag eröffnet. Für Ulrich Eckhardt, Leiter der Festspiele seit 27 Jahren, ist es das letzte große interdiziplinäre Projekt, das so viele Wissenschaften wie nie zuvor zusammenzubringen sucht. Herausgekommen ist ein Paradies für Strukturalisten und Systemtheoretiker. Jede der sechs Abteilungen „Dschungel“, „Weltraum“, „Zivilisation“, „Glauben“, „Wissen“ und „Träumen“, die um den „Kern“ im zentralen Lichthof auf 3.000 Quadratmetern angeordnet sind, erzählt ihre Geschichte mit einem skeptischen Unterton. Dort, wo sich die Helden der Geschichte in Statuen und die Utopien der Menschheit in Architekturmodellen manifestiert haben, flimmern Filmbilder von Kriegen über die marmornen Körper. Der Ausflug in den Kosmos endet vor einem Berg Weltraumschrott. Daran grenzt die letzte Kammer der Abteilung Zivilisation, die mit Totenmasken, Wachsgliedern und künstlichen Herzkammern die Endlichkeit des Körpers thematisiert: Plötzlich scheint alle Anstrengung nur ein vergebliches Aufbegehren gegen den Tod. Oft verliert man den Faden in diesen vierzig Räumen, dann wieder drängt sich die Ausstellungsarchitektur in der Vordergrund. Schmale Durchgänge und unebene Böden lassen zudem an der Familientauglichkeit der Ausstellung zweifeln: Wer nicht gut zu Fuß ist oder einen Kinderwagen schiebt, wird hier schnell die Nerven verlieren. Das sollte einem populären Projekt, das mit der Weltausstellung in Hannover konkurrieren und ein Publikum gewinnen will, das den Jahrmarkt bisher dem Museum vorzog, nicht passieren.

KATRIN BETTINA MÜLLER