Protest nur mit Staatsattest

Innensenator Werthebach will Demonstrationen verbieten, wenn diese „erhebliche Belange“der Bundesrepublik gefährden – selbst dann, wenn überhaupt keine Straftaten zu erwarten sind

von ANDREAS SPANNBAUER

Innensenator Eckart Werthebach (CDU) will künftig Demonstrationen verbieten, wenn „erhebliche Interessen“ der Bundesrepublik beeinträchtigt erscheinen. Das geht aus einem Eckpunktepapier hervor, das Werthebach letzte Woche seinen Innenministerkollegen vorgelegt hat. Dem zufolge soll der Gesetzgeber die zulässigen Gründe für das Verbot einer Demonstration „präzisieren“, um den „hypertrophen“ Schutz des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit zu verringern.

Die Innenverwaltung schlägt vor, den Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ neu zu interpretieren. Bisher gilt diese nur dann als bedroht, wenn aus einer Demonstration heraus Straftaten erwartet werden. Der Innensenator will nun durchsetzen, dass auch „unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit“ angebliche Gefährdungen der Sicherheit für ein Verbot ausreichen sollen, wenn diese „erhebliche Belange“ des Staates betreffen.

Zudem will Werthebach bestimmte Orte generell für Demonstrationen sperren. Dabei geht es etwa um das Brandenburger Tor oder das geplante Denkmal für die ermordeten Juden. Voraussetzung dafür wäre eine Änderung des Artikels 16 des Versammlungsgesetzes.

Ein weiterer Teil des Eckpunktepapiers zielt darauf ab, die strafrechtliche Definition von so genannten Äußerungsdelikten zu erweitern. Taten wie das „böswillige Verächtlichmachen“ nach Paragraf 90 a des Strafgesetzbuches seien bisher nicht sicher genug vorhersagbar gewesen, um ein gerichtliches Verbot zu begründen. Daher sei es in der Vergangenheit nicht möglich gewesen, mit der Prognose solcher Delikte ein Verbot zu erwirken. Werthebach will zukünftig auch den Ort und die Zeit einer Veranstaltung mit einbeziehen. So könnte ein Aufmarsch von Neonazis am 30. Januar wegen der zeitlichen Koinzidenz mit dem Aufmarsch der NSDAP im Januar 1933 als Verächtlichmachung der Bundesrepublik gewertet werden.

Die innenpolitische Sprecherin der PDS, Marion Seelig, verurteilte den Vorschlag Werthebachs als „Gefahr für die Verfassung“. Sollte sich Werthebach durchsetzen, werde das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit unter Staatsvorbehalt gestellt. Das Demonstrationsrecht sei dagegen ausdrücklich als Abwehrrecht gegen den Staat definiert. Dies sei im so genannten Brokdorf-Urteil des Bundesverfassungsgerichts präzisiert.

Einer Umsetzung des Pläne Werthebachs muss eine Gesetzesänderung auf Bundesebene vorausgehen. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat sich im Zusammenhang mit dem Versammlungsrecht bereits gegen „Denkverbote“ ausgesprochen. In einer Presseerklärung Schilys hieß es: „Anhand aktueller Gerichtsentscheidungen [über Demonstrationsverbote] wird auch zu untersuchen sein, ob es gesetzlichen Änderungsbedarf gibt.“