Skandal! Rache für Heike!

Ein Aufschrei gegen die Machenschaften der Futon- und Frottee-Mafia. Mit Lyrik!

Der Japaner hat ein anderes Verhältnis zum Schmerz und schläft deshalb auf einem Instrument, das Futon heißt. Etymologisch kommt Futon von Tofu und Beton, und genauso liegt es sich darauf auch. Ein paar Runden im Boxring tun weniger weh.

Dass der Futon auch in Deutschland seinen Siegeszug antreten konnte, lässt die jüngeren Landsleute in noch seltsamerem Licht erscheinen als die älteren ohnehin. Aus Kraft durch Freude wurde Fit for fun, und dessen Anhänger haben es gern hart; ohne den Kitzel der Selbstquälerei ist ihnen alles nichts. Ob die Achse Berlinm – Tokio nie wirklich durchgesägt wurde? In der wärmeren Jahreszeit, wenn sie sich begeistert öffentlich entkleiden, erkennt man unsere Futonficker an den vielen blauen Flecken, die sie sich hart erarbeitet haben und auf die sie deshalb sehr stolz sind.

Wenn man ein richtiges Bett hat, kann einem so etwas nicht passieren. Sondern viel Angenehmeres: Im Bett kann man lesen, schlafen, Hörspielkassettchen hören, schreiben, einfach nur so daliegen, plaudern, Scrabble spielen, rumlümmeln, flüstern und schnuppern, leckere kleine Brote verzehren, sich löffeln, was man will. Bett ist wie Badewanne, Küche und Kino: essentiell. Ohne geht nicht.

Als CD noch Seife war, hieß es: „An meine Haut lasse ich nur Wasser und CD.“ Das war aber damals schon gelogen. Viel lieber lässt man an seine Haut, was dem Ex-Astralleib schmeichelt und ihm wohl tut. Ein weiches, kuscheliges Laken zum Beispiel. Also kein Frottee! Frottee ist gut für die Bewohner brettharter Protestantenpritschen. Und natürlich für den Japaner, der auch ein anderes Verhältnis zum Tod hat. Japaner aller Nationen lieben Frottee, das Schmirgelpapier unter den Bettbezügen. „Wie schön das scheuert!“, jauchzen sie verzückt. „Ganz rau! Ich glaube, ich blute schon ein bisschen!“ Weniger peinorientierte Menschen aber möchten in Frottee nicht sterben und noch viel weniger leben.

Von einer Fachfrau für erfreuliche Bettwäsche bekam ich ein Laken nach meinem Herzen. Als ich die Verpackung entfernte, leuchtete es so ermunternd sonnendottergelb, dass ich mich sofort hineinwerfen wollte. Dann aber las ich den Text auf der Verpackung, und je länger ich las, desto erbitterter wurde ich:

HEIKE – das zärtliche Bettuch. HEIKE – 3 Jahre Qualitätsgarantie. Hochwertiges, elegantes Marken-Bettuch in erstklassiger Qualität. Diese Punkte sprechen für HEIKE: – langjährige Gebrauchstüchtigkeit; – angenehm und hautsympathisch; – problemlos in der Pflege.

Skandal! So eine Heike-Verachtung war mir noch nie begegnet: „langjährige Gebrauchstüchtigkeit, problemlos in der Pflege“! Heike mag als Vorname heikel sein, nicht so prickelnd vielleicht, aber es gibt doch viel Schlimmeres, Gerburg zum Beispiel, Jessica oder Melanie. Bei manchen Mädchenvornamen wird man den Verdacht nicht los, die Eltern wollten ihr Kind direkt an die nächste Straßen- oder Internet-Ecke stellen. Heike klingt dagegen unbedarft und erschütternd solide, aber es gibt doch einige Heikes, die ganz anders sind, als der Name verheißt: intelligent, lustig und aufregend. Wer heckte diesen Affront gegen die liebenswerten Heikes aus? Cui bono? Wer steckt dahinter? Die Frotteefraktion? Das Futonverbrechersyndikat? Der Japaner, der ja, weil er auf einem Futon liegt, bekanntlich nicht schläft?

Gegen schreiendes Unrecht auf der Welt, das habe ich in den Siebzigerjahren gelernt, hilft vor allem Poesie. Also dichtete ich, um die Heike-Verächter vom Erdboden zu tilgen:

Alle guten Heikes dieses Landes / Prangern diese Heike-Schmähung an. / Kraft des Heike-Schmähverbot-Verbandes / Ist mit Heike-Schmähung Schluss, und dann // Wird ein Reich errichtet namens Heike / Heike Heike Heike Heike Heike. / Schade, dass sich gar nichts reimt auf Heike, / Scheitern muss der Reimversuch mit Heike. // Jeden Heike-Schmäher soll man strafen. / Niemand mehr soll ruhig in Heike schlafen, / Bis nicht die Heike-Betttuch-Mafia von hier bis Bonn / Im Meer versenkt ist, an den Füßen Schuhe aus Futon.

Dann war alles wieder gut, die Heike-Beleidigung war mit Lyrik abgewaschen. Heike, das zärtliche Bettuch, umfing mich warm und gut. Der Weg in Heikes Kissen / führt über das Gewissen.

WIGLAF DROSTE

Hinweis:Von einer Fachfrau für erfreuliche Bettwäsche bekam ich ein Laken nach meinem Herzen. Als ich die Verpackung entfernte, leuchtete es so ermunternd sonnendottergelb, dass ich mich sofort hineinwerfen wollte