WIRTSCHAFTSMINISTERIUM GEFÄHRDET KRAFT-WÄRME-KOPPLUNG
: Bald zu Tode geprüft

Dass Anspruch und Wirklichkeit in der Politik oft nicht übereinstimmen, ist bekannt. Selten aber ist die Diskrepanz so deutlich wie bei der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Während ein Ausbau dieser umweltfreundlichen Form der Energieerzeugung erklärtes Ziel der Bundesregierung ist, werden derzeit kontinuierlich Anlagen vom Netz genommen – und das Wirtschaftsministerium will dabei weiterhin tatenlos zusehen. Und dies im Widerspruch zu Gutachten, die man selbst in Auftrag gegeben hat.

Denn dass Kraft-Wärme-Kopplung ökologisch sinnvoll ist, bestreitet inzwischen niemand mehr. Solange ein völliger Umstieg auf erneuerbare Energien wie etwa die Sonne nicht möglich ist, müssen die konventionellen Energieträger wie Gas oder Kohle so effektiv wie möglich genutzt werden. Genau das geschieht bei Block-Heizkraftwerken und anderen KWK-Anlagen: Die Wärme, die bei der Stromerzeugung ohnehin anfällt, wird zum Heizen, für warmes Wasser oder in der industriellen Produktion genutzt. Über 27 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr sind der Umwelt dadurch bisher erspart geblieben. Wissenschaftliche Studien gehen davon aus, dass sich der KWK-Anteil – 1998 lag er bei zehn Prozent – verdoppeln oder gar verdreifachen ließe. Dadurch käme Deutschland seinem Ziel ein gutes Stück näher, den CO2-Ausstoß bis 2005 um 25 Prozent zu verringern.

Stattdessen gehen permanent KWK-Anlagen vom Netz. Nach der Liberalisierung des Strommarkts herrscht eine Phase des Übergangs. Alle Anbieter versuchen, mit Kampfpreisen Kunden zu ködern. Da können die kleinen KWK-Anlagen nicht gegen die großen, ehemaligen Monopolunternehmen bestehen. Denn diese besitzen Altanlagen, die längst abgeschrieben sind und teilweise subventioniert waren (vor allem die AKWs). Das ermöglicht natürlich Billigpreise, gegen die kein Konkurrent ankommt. Vorübergehend. Denn auch die Ex-Monopolisten werden in Zukunft in neue Anlagen investieren müssen, und dann werden die Strompreise wieder auf ein Niveau steigen, bei dem die KWK-Anlagen konkurrenzfähig sind – wie sie es früher auch schon waren. Daher hat auch die EU-Kommission keine Einwände gegen eine gezielte Förderung der KWK-Anlagen.

Trotzdem hat das Wirtschaftsministerium diese Unterstützung bisher verhindert – mit dem Argument, erst müsse ihre Wirksamkeit bei der CO2-Reduktion erwiesen sein. Dieser Beweis ist inzwischen erbracht – in übereinstimmenden Studien fast aller wichtigen Energie-Forschungsinstitute. Reaktion im Hause Müller? Man will weiter prüfen und sucht neue offene Fragen, beispielsweise, „ob wir die Ergebnisse so akzeptieren können“ (Referent Antonio Pflüger). Anschaulicher lässt sich eine Verzögerungstaktik nicht auf den Punkt bringen.

Die Regierungsfraktionen sollten weiteres Bremsen aus dem Wirtschaftsministerium nicht akzeptieren. Mit dem Modell einer steigenden Quote, die alle Produzenten zwingt, entweder selbst KWK-Strom zu erzeugen oder ihn von anderen Unternehmen zu kaufen, haben die Energiepolitiker von SPD und Grünen einen überzeugenden, innovativen Vorschlag vorgelegt, um den KWK-Anteil an der Stromerzeugung zu verdoppeln. Die SPD-Fraktion muss daher schnell dieses Modell unterstützen und eine Gesetzesvorlage ermöglichen. Mit jedem weiteren Tag werden Anlagen stillgelegt, gehen Produzenten und Installateure Pleite und fallen Investitionsentscheidungen gegen die umweltfreundliche Kraft-Wärme-Kopplung. Monatlich gehen 200 Megawatt vom Netz. Nur ein neues Gesetz würde diesen Prozess umkehren; ein eindeutiges Bekenntnis der Regierung könnte ihn bereits verlangsamen. Sonst ist die KWK mit weiteren, überflüssigen Studien schnell „totgeprüft“.

MALTE KREUTZFELDT