Frankreich ist bald bargeldlos

Weil Geldtransporteure sich ihren risikoreichen Job besser vergüten lassen wollen, werden Geldautomaten nicht aufgefüllt. Kaufhäusern geht das Bare aus

PARIS taz ■ „En panne“ erscheint auf dem Bildschirm des Geldautomaten im Pariser Westen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, wo eine Bank eine Obergrenze von 1.000 Franc pro Kunde festgelegt hat, stehen zehn Leute Schlange, um etwas Bares von ihrem Konto abzuheben, bevor auch dieser Automat leer ist. Dafür, dass den Franzosen das Bargeld ausgeht, haben die Geldtransporteure gesorgt. Am Dienstag schnallten sie die Magnum 357 ab, zogen die kugelsicheren Westen aus und verließen die gepanzerten Wagen. Seither streiken und demonstrieren sie gegen den „Tod für 6.000 Franc“, was ungefähr 1.800 Mark, dem durchschnittlichen Salär eines Geldtransporteurs in Frankreich, entspricht.

Die knapp 6.000 Männer, die in dem Beruf arbeiten, sind in den vergangenen Jahren zunehmend ins Visier von bewaffneten Gangstern geraten, die ihnen mit schwerem Gerät und wachsender Brutalität bei der Belieferung von Automaten, beim Geldabholen aus Supermärkten und Kaufhäusern und an Straßenkreuzungen auflauern. Zwölf Geldtransporteure ließen seit 1996 ihr Leben. Ein besonders schwarzer Tag war der 27. April, als in Grenoble ein Geldtransporteur erschossen und seine beiden Kollegen schwer verletzt wurden, und zugleich in Nanterre bei Paris zwei weitere durch Schüsse verletzt wurden. Als am 5. Mai erneut ein Geldtransporteur im Norden von Paris mit einer Kugel verletzt wurde, stand die Entscheidung fest: Streik.

Die miserabel entlohnten Männer, die Millionensummen durch das Land transportieren, verlangen eine finanzielle Entschädigung für ihr tägliches Risiko und zusätzliche Sicherheitsgarantien für ihre Arbeit. Unter anderem wollen sie die Nachtarbeit einstellen, verlangen Polizeieskorten auf besonders gefährlichen Missionen und wollen nicht länger von ihren Kunden auf feste Lieferzeiten festgelegt werden, die sie zu leicht erkennbaren Opfern von Gangstern machen. Zusätzlich verlangen sie die Einstufung als „Risikoberuf“.

Bis gestern haben die Geldtransporteure nur eine Zusage vom Transportminister bekommen: Die Nachtarbeit wird abgeschafft. Doch höhere Löhne wollen ihre Arbeitgeber nicht zahlen. Sie boten lediglich eine Prämie von jährlich 2.000 Franc (ca. 600 Mark) an. „Für die Angst im Nacken, die ich jeden Tag habe, reicht das nicht aus“, sagen dazu die Gewerkschaften. Die Geldtransporteure stellen sich auf einen langen Streik ein. Notfalls sind sie bereit, ihren gesamten Monatslohn aufs Spiel zu setzen. Denn wer streikt, bekommt in Frankreich keinen Sou. Streikkassen gibt es nicht.

Bereits gestern ging in manchen Kaufhäusern das Münzgeld aus. Ein Drittel der Geldautomaten war leer. DOROTHEA HAHN