Ein Abbremsen ist möglich

Mit einer Anhörung will der Bundestagsausschuss für Technologie klären, wie es mit der Liberalisierung der Postmärkte weitergehen soll: Bleibt das Briefmonopol der Post AG bestehen?

von BEATE WILLMS

Gerhard Saborowski hofft wieder auf ganz normale Post. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat seiner Bürgerinitiative Waldheim den Rechtsweg freigemacht. Sie darf weiter dafür streiten, dass die vor sieben Jahren geschlossene Postfiliale in dem Hannoveraner Stadtteil wieder geöffnet wird. Gleichzeitig gibt es Anzeichen, dass die Bundesregierung das Tempo bei der Liberalisierung der Postmärkte zurückfahren und damit den Rationalisierungsdruck auf die Post AG verringern könnte.

Für heute hat der Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Technologie Saborowksi gemeinsam mit 24 anderen Experten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Verbraucherschutz zu einer Anhörung geladen. Eine der Kernfragen: Kann die flächendeckende Postversorgung, die die Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV) von 1998 vorschreibt, auch auf einem geöffneten Markt gewährleistet werden?

Freier Wettbewerb herrscht bislang bereits bei den Kurier-, Express- und Paketdiensten, rund ein Drittel des Gesamtumsatzes entfällt an private Anbieter. Bei den Briefen hat die Post AG eine Exklusivlizenz auf Sendungen bis zu 200 Gramm, Ausnahmen für Konkurrenten gibt es nur, wenn sie einen besonderen Service wie Zustellung noch am selben Tag bieten können. Hier liegt der Marktanteil der Privaten bei nicht einmal einem Prozent. Allerdings gilt das Quasimonopol nur bis Ende 2002. Was dann passiert, soll jetzt geklärt werden. Die Post AG ist längst auf neue Konkurrenz eingestellt. Seit Mitte der Neunzigerjahre hat sie 5.000 der damals noch rund 17.000 Filialen geschlossen und zehntausende Arbeitsplätze abgebaut.

Saborowski hält eine völlige Öffnung des Briefmarktes, die die privaten Dienstleister fordern, für falsch. „Das gefährdet die Grundversorgung“, sagte er der taz. Profitabel seien schließlich nur Geschäftskunden. Es dürfe nicht vom Markt abhängen, ob beispielsweise auf dem Land überhaupt noch Briefe und Pakete versandt und empfangen werden könnten. Die „Bürgerpost“ in Waldheim, wo seine Initiative die bereits bestehende Versorgungslücke seit dreieinhalb Jahren gegen einen monatlichen Unkostenbeitrag der Einwohner mit einer ehrenamtlichen Annahmestelle selber schließt, sei kein Modell für den Regelfall.

Die Bedingungen für die Bundesregierung, sich die nächsten Schritte sehr genau zu überlegen, sind unerwartet günstig: Eigentlich wollte die EU-Kommission ihre Richtlinien für die Marktöffnung noch in diesem Jahr verschärfen. Erst in dieser Woche aber hat Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein mitgeteilt, dass er das Postmonopol auf Standardbriefe, also bis 50 Gramm, bis 2007 aufrechterhalten will.

In der Koalition sind die Meinungen geteilt. Die Grünen gehören nach Aussagen anderer Mitglieder „ohnehin nicht zu den eifrigsten Teilnehmern“ des Ausschusses, die SPD zeigt sich auch intern gespalten. Während Wettbewerbsexperte Uwe Jens, der dem wissenschaftlichen Beirat des Post-Konkurrenten United Parcel Service vorsitzt, das Briefmonopol auslaufen lassen will, ist Fraktionsvize Norbert Wieczorek dafür, den von der EU vorgegebenen Spielraum zu nutzen. Deutschland müsse nicht immer Vorreiter sein, sagte er. Das bringe nur neue Probleme. Ähnlich hatte sich früher auch Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) geäußert. Einer der vehementesten Kritiker der Postreform, der PDS-Abgeordnete Gerhard Jüttemann, sieht nun eine neue Chance. „Ich hoffe, dass die bisherigen Fehler, für die das Beispiel Waldheim steht, jetzt revidiert werden können.“